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bis zu 32 Milliarden Kubikmeter werden. Das Projekt
wurde vor allem während der Regierungszeit von Minis-
terpräsidentin Julia Timoschenko 2005 diskutiert. Die
damalige Regierung hoffte, damit ihre Abhängigkeit von
russischen Lieferungen zu reduzieren.
2050 könnten etwa 10 bis 25 Prozent des europäischen
Strombedarfs aus den Wüsten gedeckt werden.
Es ist wenig überraschend, dass ein Großprojekt wie
dieses höchst kontrovers diskutiert wird und es neben
Befürwortern auch zahlreiche Kritiker gibt. Die MENA-
Region als Energieergänzungsraum für Europa zu sehen,
hat durchaus Vorbilder aus der Kolonialzeit und wird
vor allem in der MENA-Region selbst auch als postkolo-
niales Projekt wahrgenommen. Nicht zu übersehen sind
natürlich die massiven Sicherheitsaspekte des Projekts.
Die Staaten Nordafrikas und des Vorderen Orients ge-
hören politisch mittelfristig zu den labilsten Staatsorga-
nisationen dieser Erde. Die Stromkabel würden durch
Libyen, durch das Königreich Marokko oder durch die
Golf-Scheichtümer der Arabischen Halbinsel führen,
und welche innenpolitischen Entwicklungen sich dort
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vollziehen wer-
den, ist im Augenblick noch überhaupt nicht abzusehen.
Die Energieversorgung Europas aus dem altweltlichen
Trockengürtel birgt ohne Zweifel die Gefahr politischer
Abhängigkeit und - im Fall von Konflikten - Erpress-
barkeit. Ferner stellen die Übertragungsleitungen mög-
liche Ziele für Terroristen dar.
Eine andere regenerative Energiequelle für Europa
will das „Nordsee-Supergrid“ nutzen: die Windenergie,
welche vor allem in der europäischen Nordsee zwar
nicht annähernd solche Strommengen erzeugen kann wie
Solarenergie in Nordafrika, die aber doch einen nicht
unerheblichen Beitrag zur Erhöhung des regenerativen
Anteils an der europäischen Stromversorgung leisten
würde. Die sogenannte Offshore-Allianz der Nordsee-
staaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Nor-
wegen und Schweden) ist ein noch junges, erst im Ent-
stehen begriffenes Projekt zum transnationalen Ausbau
regenerativer Energien. In zentral- und nordeuropäi-
schen Gewässern drehten sich Ende 2009 Windkraftan-
lagen mit einer Gesamtkapazität von rund 2,1 GW. Der
Umfang der künftigen Stromerzeugungskapazitäten ist
nur schwer abzuschätzen, da einige der bereits geneh-
migten Parks erfahrungsgemäß später als geplant oder
auch gar nicht in Bau gehen dürften (Abb. 8.14).
Das Projekt OffshoreGrid im Rahmen des EU-Pro-
gramms Intelligent Energy Europe geht in einer Studie
von knapp 30 GW bis 2020 in der Nordsee aus; zusam-
men mit den Anlagen in der Ostsee, dem Kattegat, der
Irischen See und dem Englischen Kanal könnten es
43 GW werden.
Die Erzeugung von Offshore-Windstrom in der
Nordsee und anliegenden Gewässern hat zwei erhebli-
che Nachteile. Erstens ist die Windenergie auch auf dem
Wasser eine fluktuierende Energiequelle: Der Wind weht
zwar kräftig, aber eben nicht immer. Zweitens fehlt es an
Verbrauchern vor Ort. Fluktuation und Verbrauchsferne
erfordern beide ein weiträumiges, transnationales eu-
Die künftige Versorgung Europas
mit regenerativer Energie
Neben Projekten zur Versorgung Europas mit nichtrege-
nerativer Energie bestehen auch Ansätze, regenerative
Energien wie Windkraft oder Sonnenenergie in großem
Stil zu nutzen. Noch stehen diese Projekte, abgesehen
von der Nutzung der Wasserkraft (Abb. 8.13) ganz am
Anfang.
Das Problem Europas ist dabei, dass wirklich effek-
tive regenerative Energiequellen nicht existieren bzw.
deren Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Zwar
hat der Kontinent relativ große Potenziale für Wasser-
kraft, Geothermie, Biomasse sowie Wind- und Solar-
energie, doch stehen einer intensiven Nutzung die
dichte Besiedlung und auch die Vielzahl an Protesten
(z. B. gegen Windparks) entgegen. Auch ist die Solar-
energie natürlich deutlich geringer als in den Trockenge-
bieten Nordafrikas und des Vorderen Orients.
Rein technisch gesehen ist die effektivste regenerative
Energiequelle die Sonnenenergie aus solarthermischen
Kraftwerken (auch Concentrating Solar Power [CSP]
genannt). Optimale Standorte wären die Wüstenregio-
nen Nordafrikas und des Vorderen Orients. In sechs
Stunden empfangen die Wüsten der Erde mehr Energie
von der Sonne, als die gesamte Menschheit in einem Jahr
verbraucht. Eine etwa wohnzimmergroße Spiegelfläche
eines solarthermischen Kraftwerkes würde ausreichen,
um den Strombedarf eines Menschen Tag und Nacht
CO 2 -frei zu decken.
Ließen sich hier großräumig die MENA-Region
(Middle East & North Africa) als Produzent und Europa
als Konsument über ein fernorientiertes Leitungsnetz
zusammenschließen, würde dies für beide Seiten einen
Gewinn bedeuten und überdies einen wirklichen Wech-
sel zu einer sauberen und sicheren Energieversorgung
bedeuten. Genau darum geht es im bekanntesten Pro-
jekt „Desertec“. Mithilfe von Sonnenwärmekraftwerken
im altweltlichen Trockengürtel soll elektrischer Strom
erzeugt und über relativ verlustarm arbeitende Hoch-
spannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen zu den
Verbrauchszentren übertragen werden.
Der mit solarthermischen Kraftwerken erzeugte
Strom soll zunächst einen wesentlichen Teil des Eigen-
bedarfes der MENA-Länder decken und darüber hinaus
ab 2020 mit insgesamt 10 bis 15 Prozent Übertragungs-
verlust bis nach Europa geleitet werden, um hier bis zu
15 Prozent des Strombedarfes zu decken. Bis zum Jahre
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