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Kubikmeter Gas transportiert und damit rechnerisch
mehr als 26 Millionen Haushalte mit Energie versorgt
werden.
Baubeginn des ersten von zwei Pipelinesträngen war
April 2010, die Inbetriebnahme erfolgte Mitte Novem-
ber 2011. Die Bauarbeiten für den zweiten Leitungs-
strang, der parallel zum ersten verläuft, haben im Mai
2011 begonnen und wurden im April 2012 beendet. Die
zweite Pipeline soll planmäßig im letzten Quartal 2012
in Betrieb gehen. Jeder Pipelinestrang weist eine Trans-
portkapazität von rund 27,5 Milliarden Kubikmetern
Gas pro Jahr auf. Das Projekt ist nicht ohne geopoliti-
sche Brisanz. Vor allem die Anrainerstaaten Russlands,
in erster Linie Polen und die Baltischen Staaten, trugen
Bedenken gegen Nord Stream vor. Dort fürchtet man,
dass Russland den osteuropäischen Staaten (sowie
Weißrussland und der Ukraine) den Gashahn abdrehen
kann, ohne seine Lieferungen nach Deutschland und
Westeuropa zu gefährden. Russland hatte zuletzt 2009
nach Auseinandersetzungen mit der Ukraine die Liefe-
rungen gestoppt. Bulgarien, Ungarn, die Slowakei und
Polen mussten damals wegen Versorgungsengpässen
den Notstand ausrufen. Auch wurden Umweltschutzbe-
denken gegen eine Pipeline auf dem Grund der sensi-
blen Ostsee vorgebracht.
Hinter dem Ostsee-Pipeline-Projekt steht ein Kon-
sortium. 51 Prozent der Anteile hält der russische Gas-
monopolist Gazprom, jeweils 20 Prozent werden von
E.ON-Ruhrgas und der BASF-Tochter Wintershall ge-
halten. Mit 9 Prozent beteiligt ist die niederländische
Gasunie. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Ger-
hard Schröder ist Aufsichtsratschef des Nord-Stream-
Konsortiums.
South Stream ist dagegen eine geplante russisch-italie-
nische Erdgas-Pipeline, die unter anderem auf dem
Grund des Schwarzen Meeres verlaufen soll. Von Bul-
garien oder Rumänien aus soll South Stream auf je einem
Strang nach Italien und Österreich weitergeführt wer-
den. Die Durchleitungskapazität soll im Endausbau
47 Milliarden Kubikmeter im Jahr betragen. Partner des
Joint Ventures sind Gazprom und der italienische Ener-
gieversorger ENI. Die Kosten werden auf 19 bis 24 Mil-
liarden Euro geschätzt. Die Bauarbeiten sollen 2015
abgeschlossen sein. Auch South Stream soll durch Diver-
sifizierung der Lieferrouten des russischen Erdgases die
Abhängigkeit des Produzenten und der Abnehmerländer
von den Transitstaaten Ukraine und Weißrussland redu-
zieren. Das Projekt steht in Konkurrenz zur geplanten
Nabucco-Pipeline, die - vom kaspischen Raum her kom-
mend - russisches Territorium umgehen soll.
Nabucco ist ursprünglich der Titel einer Oper von
Giuseppe Verdi, 1841 komponiert und am 9. März 1842
im Teatro alla Scala in Mailand uraufgeführt. Die Oper
hat einerseits das Streben des jüdischen Volkes nach
Freiheit aus der babylonischen Gefangenschaft zum
Thema; andererseits steht die Hybris des Titelhelden im
Zentrum, der sich selbst zum Gott machen will, darauf-
hin mit Wahnsinn geschlagen wird und erst durch seine
Bekehrung zum Gott der Hebräer geheilt wird. Es bleibt
zu hoffen, dass das Nabucco-Pipeline-Projekt nicht ähn-
lich größenwahnsinnig endet. Der Name ist allerdings
insofern recht treffend gewählt, als das Projekt die Ab-
hängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen redu-
zieren soll.
Das Nabucco-Pipeline-Projekt sieht den Bau einer
Erdgas-Pipeline vor, beginnend in der östlichen Türkei
bis in das österreichische Baumgarten an der March, wo
das zentrale Verteilerzentrum des Unternehmens OMV
für Erdgas liegt. Am 13. Juli 2009 wurde ein Rahmen-
abkommen von den fünf beteiligten Transitstaaten
(Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich)
unterzeichnet. Der endgültige Baubeschluss wird im
Jahr 2011 erwartet. Die Pipeline soll ungefähr 7,9 Milli-
arden Euro kosten, die zu einem Drittel durch das
Betreiberkonsortium selbst, zu zwei Dritteln durch
Kredite aufgebracht werden sollen. Hintergrund des
Projekts ist der politische Wunsch der EU nach einer
Diversifizierung der Erdgaslieferungen und einer Redu-
zierung der Abhängigkeit vom Hauptlieferanten Gaz-
prom. Russland liefert derzeit knapp 25 Prozent des
europäischen Gasbedarfs.
Der Baubeginn von Nabucco wurde schon mehrfach
verschoben. Die Pipeline selbst soll die EU mit den kas-
pischen Erdgasvorkommen verbinden (möglicherweise
auch mit iranischen, ägyptischen und irakischen) und
so neue Gasquellen für Europa erschließen. Im EU-Pro-
gramm „Transeuropäische Netze“ gilt die Pipeline als
eines der fünf wichtigsten Vorhaben beim Ausbau des
europäischen Energieleitungsnetzes. Allerdings sind von
allen Projekten hier die Unwägbarkeiten am größten. So
bestehen bis dato keine definitiven Lieferverträge, und
dass die EU mit Nabucco in Lieferabhängigkeit von neo-
sultanistischen Staaten wie Aserbaidschan oder Turk-
menistan geraten wird, stellt für die europäischen
Demokratien ein nicht zu unterschätzendes Problem
dar. Russland möchte den Bau von Nabucco natürlich
nach Möglichkeit verhindern und treibt daher kräftig
den Bau von South Stream voran. Russland verhandelt
derzeit mit den potenziellen Lieferländern Aserbaid-
schan, Turkmenistan und Kasachstan, um das Gas nicht
über Nabucco, sondern über die South-Stream- Trasse
liefern zu lassen.
Die letzte Pipeline White Stream ist die am wenigsten
bedeutsame. Sie wird vor allem von der Ukraine, die bis
jetzt eine wichtige Rolle als Transitland innehat, unter-
stützt und soll gemeinsam mit der EU verwirklicht wer-
den. Durch die Leitung soll Gas aus Georgien durch das
Schwarze Meer auf die Krim und dann weiter nach
Rumänien strömen. Die ersten Planungen gehen von
8 Milliarden Kubikmetern jährlich aus. Später sollen es
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