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ten ihren Müll andrehen. Die Beispiele von Schiffs-
friedhöfen und die Entsorgung von Elektroschrott sind
durch die Medien mittlerweile auch einer breiten Öf-
fentlichkeit bekannt. Auf der anderen Seite nutzen
europäische Staaten Drittländer, um im Rahmen von
Ausgleichsmaßnahmen eigene Umweltbelastungen ge-
genzurechnen. Es ist ein offenes Spiel, das durch den ge-
rade erst beginnenden Zertifizierungshandel mit Treib-
hausgasen eine neue räumliche Bewertung eröffnet.
Dies bietet Chancen für positive Akzente, die bisherigen
Trends und Ungleichentwicklungen entgegenwirken,
kann aber auch ins Gegenteil verkehrt werden. Ähnli-
ches gilt bei der Verlagerung von umweltbelastenden
Produktionsverfahren in Drittländer und auch für das
Sozialstandards in Europa missachtende Lohndumping.
Das folgende Teilkapitel geht entlang der skizzierten
zwei Grundproblematiken - Endlichkeit natürlicher
Ressourcen einerseits und bestehende Disparitäten und
globale Machtungleichgewichte andererseits - der Frage
nach, durch welche Macht- und Ungleichheitsverhält-
nisse die Nutzung, der Handel und der Verbrauch öko-
logischer Ressourcen durch die Staaten Europas geprägt
sind. Anhand von Beispielbereichen, die von der Gewin-
nung von Rohstoffen und der Ernährungssicherung
über die industrielle Produktion hin zur Bekämpfung
des globalen Klimawandels und der Entsorgung von
ökologisch belastenden Gütern reichen, wird gezeigt,
dass sich in den Ungleichheiten der Ressourcennutzung
gerade auch die Schattenseiten eines westlichen Modells
von Entwicklung und Wirtschaftshandeln spiegeln.
Folglich sind zur Lösung der ökologischen Problemla-
gen unserer Zeit Ansätze gefordert, die auch die derzeit
dominanten Vorstellungen von „Entwicklung“ und die
damit verknüpften Konsum- und Wertvorstellungen
kritisch hinterfragen (Huggan & Tiffin 2010).
aufstrebenden Wirtschaftsnationen, insbesondere Asiens,
zum Politikum. Europa verfügt über deutlich weniger
nicht erneuerbare Rohstoffe, als es für die industrielle
Produktion sowie für Energiegewinnung und Transport
benötigt, der Zugang zu diesen Ressourcen birgt daher
erhebliches Konfliktpotenzial (Sachs & Santarius 2006).
Europa bedient sich weltweit, um seinen Hunger
nach Erzen, Energierohstoffen, Agrarprodukten und
Holz zu befriedigen. In den Abbildungen 8.5 und 8.6
sind die bedeutendsten Im- und Exportländer nach
Warengruppen differenziert dargestellt. Danach sind
die wichtigsten Im- und Exportländer hoch korreliert.
Große Unterschiede ergeben sich jedoch im Portfolio
des Austausches. Nicht repräsentiert in diesem „Spiel der
großen Zahlen“ sind die kleinen Länder, für die der
Handel mit Europa oft aus wenigen Rohstoffen und
damit sehr einseitigen Abhängigkeiten besteht. Obwohl
eine solche Visualisierung wichtige Hinweise darauf lie-
fert, welchen Umfang welche Art von Ressourcenliefe-
rungen nach Europa haben, ergeben sich wenige Aus-
sagen über strategisch besonders wichtige Ressourcen
oder die Auswirkungen, die der Handel auf die Her-
kunftsländer hat. Auch die Bedeutung der kleinen Län-
der - beispielsweise in Afrika -, für die der Export in die
europäischen Staaten oft einen hohen Anteil des
Gesamt-BIP ausmacht, ist aufgrund der geringen abso-
luten Größen nicht aufgeführt. Dies liegt zum einen
daran, dass im Zuge von Hightech-Produktionen in
Industrieländern sogenannte Seltene Erden zunehmend
an Bedeutung gewinnen, die zwar mengenmäßig eher
untergeordnete Anteile einnehmen, gleichwohl aber
zwingend für einzelne Produktionsprozesse notwendig
sind. Darüber hinaus spielt der Handel mit Rohstoffen
für viele Herkunftsländer, auch für solche, die in den
Abbildungen 8.5 und 8.6 aufgrund ihres relativ gerin-
gen Handelsvolumens nicht auftauchen und hier insbe-
sondere für viele Entwicklungsländer, eine herausra-
gende Rolle. Die Ökonomien vieler Entwicklungsländer
hängen maßgeblich von Rohstoffexporten ab: In über
100 Entwicklungsländern stellen Rohstoffexporte über
50 Prozent der Einkünfte, im Durchschnitt bestehen
Exporte von Ländern in Afrika, dem Nahen Osten und
der GUS zu mehr als 70 Prozent aus Rohstoffen (Curtis
et al. 2010).
Gleichzeitig zeugt die 2008 von der Europäischen
Kommission ins Leben gerufene „Rohstoffinitiative“ da-
von, dass sich die EU im Zuge steigender Konkurrenz
von Käufern aus den ökonomisch wachsenden Schwel-
lenländern zunehmend Sorgen um die Sicherstellung
ihrer Rohstofflieferungen macht. Ziel der Rohstoffinitia-
tive ist es folglich, vor dem Hintergrund der hohen
Importabhängigkeit der EU, beispielsweise von strate-
gisch wichtigen „Hightech-Metallen“, Seltenen Erden
und anderen Ressourcen, den Zugang zu diesen Rohstof-
fen auf dem Weltmarkt sicherzustellen.
Rohstoffsicherung und
Rohstoffentnahmen
Europa ist, um seine wirtschaftliche Leistungskraft zu
erhalten, massiv auf den Import von Rohstoffen ange-
wiesen, die innerhalb Europas entweder nicht vorkom-
men oder hier nur unter sehr (kosten)ungünstigen Be-
dingungen gewonnen werden könnten (Abb. 8.5 und
8.6). Die importierten Rohstoffe lassen sich danach
unterscheiden, ob sie, wie beispielsweise landwirtschaft-
liche Produkte und natürliche Rohstoffe (Lebensmittel,
Holz, Biodiesel), prinzipiell innerhalb eines überschau-
baren zeitlichen Rahmens nachwachsen können oder ob
es sich um nicht regenerierbare Ressourcen handelt
(Erdöl, Erdgas, mineralische Rohstoffe). Gerade im Be-
reich der nicht regenerierbaren Ressourcen wird der
Rohstoffhandel vor dem Hintergrund insgesamt be-
grenzter Vorkommen und wachsender Nachfrage aus
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