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Metropolitane Funktionen
formationen liegen dafür nicht vor, weshalb auf alterna-
tive Datenquellen zurückgegriffen wurde. Dabei wurde
auch die häufig verwendete Einteilung der Metropol-
funktionen in Innovations- und Wettbewerbsfunktion,
Entscheidungs- und Kontrollfunktion, gateway- Funk-
tion und Symbolfunktion verlassen. Stattdessen hat man
Themenfelder wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Ver-
kehr und Kultur in einer weltweiten Bedeutung empi-
risch unterlegt (Abb. 7.8). Und da die Datenerfassung
auf der Geodaten- oder Gemeindeebene vollzogen
wurde, konnte auch das Problem der unterschiedlichen
Verwaltungsgrenzen gelöst werden.
Die Abbildung 7.9 zeigt die räumliche Verteilung der
Metropolfunktionen nach diesem Ansatz. Insgesamt
kommen sie an 8480 Standorten vor. Sie ballen sich in
Mitteleuropa und reproduzieren das Raumbild der
„Blauen Banane“. Verstärkt wird dies durch die hohen
Anteile der wirtschaftsbezogenen Funktionen in dieser
Region. Diese räumliche Anordnung ist in Teilen auch
das Resultat des institutionellen Wachstums der Europä-
ischen Union in den Gründungsstaaten, sodass Brüssel,
Luxemburg, Strasbourg und Frankfurt auch durch die
Ansiedlung zentraler Einrichtungen der EU an Bedeu-
tung gewonnen haben. Im Gegensatz dazu stehen die
Räume außerhalb des europäischen Kernraumes mit
eher solitären Metropolen. Dort gibt es eine stärkere
Konzentration auf einzelne Städte, und die nationalen
Hauptstädte treten mit ihren Übergewichten an politi-
schen Funktionen (z. B. Rom, Berlin, Ankara, Madrid)
deutlich hervor. Außerdem treten mehrere große Agglo-
merationen von Weltstadtfunktionen hervor (BBSR
2010, Abb. 40, S. 72): London und Paris bilden die größ-
ten Konzentrationen - gefolgt von der Randstad, Brüssel
und Rhein-Ruhr. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl
von mittelgroßen Metropolen, beispielsweise Berlin,
Moskau, Wien-Bratislava, Rom oder Rhein-Main. Mit
einem deutlichen Abstand beim Funktionswert rangie-
ren dann die meisten anderen Metropolregionen, und
die Frage stellt sich, inwiefern sie tatsächlich eine globale
Ausstrahlung besitzen.
Die Einwohnerzahl kann also nicht das entscheidende
Kriterium dafür sein, dass eine Stadt zur Metropole und
ein Teilraum zur Metropolregion wird. Eine Agglomera-
tion muss noch keine Metropolregion sein, aber sie be-
nötigt trotzdem eine bestimmte Bevölkerungsgröße und
Bevölkerungskonzentration, um metropolitane Funk-
tionen unterhalten zu können. Ein großer Flughafen
benötigt eine gewisse Nachfrage nach Flügen; große
Sportarenen, die auch für Welttourneen von internatio-
nalen Musikgrößen genutzt werden, sollten auch in der
Nähe der potenziellen Besucher liegen. Ebenso gibt es
einen Zusammenhang zwischen den Global Playern aus
der Wirtschaft und den von ihnen angebotenen Arbeits-
plätzen und der Größe einer Stadt.
Eine Metropolregion ist ferner mehr als ein singulä-
rer Knoten in einem europaweiten oder globalen Netz.
Gioia Tauro in Kalabrien zum Beispiel ist zwar einer der
größten Containerhäfen von Europa, aber die italieni-
sche Gemeinde mit ihren knapp 20 000 Einwohnern
wird dadurch trotzdem nicht zur Metropole. Vielmehr
geht es um verschiedene globale Netze, die sich mit
ihren Knoten in bestimmten Räumen überlagern. Dies
betrifft Netze im Bereich Transport genauso wie bei
Finanzen oder wissenschaftlichem Austausch. Insofern
sind Metropolregionen gateways in weltweite Aus-
tauschbeziehungen von Personen, Gütern und Informa-
tionen.
Die Messung der metropolitanen Bedeutung hat
eine längere Tradition. Eine wesentliche Grundlage war
die europäische Studie „Les villes européennes“ von Bru-
net (1989), die später Rozenblat & Cicille (2004) aktu-
alisiert haben, ebenso das ESPON-Projekt „Potentials
for polycentric development in Europe“ (Nordregio 2005).
Für Deutschland ist beispielweise der Raumordnungs-
bericht 2005 (BBR 2005) oder die Arbeit von Blotevo-
gel & Schulze (2009) zu nennen. Dadurch wurde ein
konzeptioneller Rahmen gebildet und die Operationa-
lisierung der Funktionen vorangebracht. Gleichzeitig
gab es immer wieder Kritik, so an der Messung der
Funktionen nur für eine Auswahl von bestimmten
Städten (ab einer gewissen Einwohnerzahl), an der Aus-
wahl der Indikatoren für die empirische Grundlage und
wegen des Einflusses der unterschiedlich großen Zu-
schnitte der administrativen Einheiten in den Mit-
gliedsstaaten der EU.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor-
schung (BBSR 2010) hat anhand eines Sets von 38 Indi-
katoren einen weiteren Versuch gestartet, Metropol-
funktionen abzugrenzen und mit Daten zu unterlegen.
Dabei wurde der Ansatz gewählt, definierte Metropol-
funktionen überall dort zu messen, wo sie vorkommen.
Dies erforderte einen eigenen Datensatz, der europaweit
nach gleichen Kriterien vorliegen musste. Amtliche In-
Regionalpolitische Bewertung
Mit Sätzen wie „Städte und Ballungsräume sind An-
triebskräfte für die wirtschaftliche Entwicklung“ (Euro-
päische Kommission 2010) oder „Als funktionale Ver-
flechtungsräume sind Metropolregionen Motoren der
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwick-
lung …“ (MKRO 2006) wird Metropolregionen eine
besondere Bedeutung zugeschrieben, die unterschiedli-
che Bereiche anspricht: Sie sind wirtschaftlich aktive
Räume, sind prägend für gesellschaftliche Entwicklun-
gen, ebenso sind dort die Zentren beispielsweise für
neue künstlerische Strömungen. Gerade die große öko-
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