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Abb. 5.27 Zahlreiche vom Niedergang
betroffene Altindustrieräume gibt es
auch in den ehemals kommunistischen
Staaten Ostmittel- und Südosteuropas.
Die Aufnahme zeigt einen verfallenen
Teil eines einstigen kommunistischen
Musterprojekts in Ungarn, der sozia-
listischen Stadt Dunaújváros, die am
Standort eines Eisen- und Stahlwerks
neu gegründet worden war
(Foto: Hans Gebhardt).
zwischen arbeiten dort nur noch rund 30 Prozent im
produzierenden Gewerbe, aber fast 70 Prozent im
Dienstleistungssektor.
Altindustriestandorte in Europa haben, wie das Bei-
spiel des Ruhrgebiets zeigt, im Zeichen postmoderner
Erlebnisgesellschaften teilweise neue Funktionen als
Freizeit- und Unterhaltungsstandorte übernommen.
Ästhetisch verrostete Eisen- und Stahlwerke eignen sich
ja hervorragend als Kulissen für Modefotos oder Rock-
konzerte, umgebaute Gasbehälter lassen sich in künst-
liche Tauchparadiese verwandeln, Eisenerzlager in alpi-
ne Klettergärten, Hochseilakrobaten können zwischen
angestrahlten Hochöfen turnen. Nicht mehr wirtschaft-
liche oder ökologische Probleme stehen im Zentrum
des Diskurses, sondern der Umgang mit dem industrie-
kulturellen Erbe als Teil der regionalen Identität.
Allenthalben entdecken in früher deprivierten Indus-
trieräumen die postindustriellen Bewohner ihre indus-
triebestimmte Vergangenheit und finden sie zuneh-
mend faszinierend.
Dabei geht es einerseits um den Erhalt eines histori-
schen Erbes, ganz ähnlich wie bei „anerkannten“ histo-
rischen Bauten wie Klöstern, Kirchen, Altstadtensembles
etc., auf der anderen Seite geht es aber auch darum, sol-
che Industriedenkmäler touristisch zu vermarkten, um
die oft sehr hohen Kosten ihrer Instandhaltung wenig-
stens teilweise wieder einzuspielen.
Typische Beispiele zeigen, wohin die Reise geht: die
„Route der Industriekultur“ im Ruhrgebiet mit ihrem
gestuften System industriekultureller Attraktionen und
dem Leitbild, Marktführerschaft im internationalen
Industrietourismus zu übernehmen, oder die Industrie-
erlebnislandschaft Ironbridge Gorge Museum in Groß-
britannien mit der ersten Eisenbahnbrücke der Welt
aus dem Jahre 1779, neun angeschlossenen Museen,
dem Nachbau einer viktorianischen Stadt und der
Möglichkeit, dort Hochzeiten zu inszenieren. Auch die
alte Industriestadt Manchester hat sich von ihrem
Niedergang erholt. Im Jahr 1982 wurde hier der erste
Urban Heritage Park Großbritanniens eröffnet (Wood
2010); weitere Hinterlassenschaften des Industriezeit-
alters tragen dazu bei, neben neuen Nutzungen auch
die Erinnerung an die Industriegeschichte der Stadt
wachzuhalten, sie fungieren als „kulturelles Gedächt-
nis“.
Abb. 5.28 Viele alte Betriebe der Textil- oder der Eisen- und
Stahlindustrie sind heute stillgelegt oder wurden einer anderen
Nutzung zugeführt. Dieser alte Industriebetrieb in Norköping
(Schweden) beherbergt heute ein Museum der Industriege-
schichte (Foto: Hans Gebhardt).
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