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gekommen sind, versuchen über Rationalisierungs-
innovationen Arbeitskräfte einzusparen oder die Pro-
duktion insgesamt zu reduzieren. Hierzu sind vor allem
die Eisen- und Stahlregionen oder die Werftindustrie
mit den anderen traditionellen Hafenindustrien zu
rechnen. Schließlich geht es um sozialgeographische
Probleme, um Dauerarbeitslosigkeit und einen steigen-
den Anteil an Bevölkerung, der von staatlichen Trans-
ferzahlungen lebt. Manche Autoren sprechen auch von
„mentalen Altlasten“, wenn sie auf die Schwierigkeiten
von Unternehmen, Beschäftigten und Politik zu spre-
chen kommen, Veränderungen ihrer Wirtschaftsstruk-
tur aktiv zu betreiben.
Innerhalb Europas lässt sich eine sukzessive „Nord-
Süd-Wanderung“ frühindustrialisierter Räume im Ver-
lauf der einzelnen Produktzyklen feststellen. Von
Manchester und dem Ruhrgebiet verlagerte sich die
Wachstumsdynamik in den Rhein-Main- und Rhein-
Neckar-Raum sowie in die Agglomerationsregionen
München und Mailand. Gründe hierfür liegen in der
Tatsache, dass die Kernregionen der alten Langen Welle
nicht den Standortanforderungen der neuen Wachs-
tumsindustrien genügen.
Besonders eindrucksvoll fiel der wirtschaftliche
Niedergang der nordenglischen und walisischen Indus-
triereviere aus. Großbritannien als die „Mutter der In-
dustriellen Revolution“ bot gute Standortvoraussetzun-
gen wie Rohstoffvorkommen (Kohle und Eisenerz in
Nordengland), technologische Innovationen (Erfin-
dung des mechanischen Webstuhls, der Spinning Jenny ),
Arbeitskräftepotenzial, Kapitalakkumulation (nicht zu-
letzt aus den britischen Kolonien) und einen entspre-
chenden Absatzmarkt (ebenfalls teilweise in Übersee)
für eine frühe Industrialisierung (Zehner & Wood 2010).
Der Übergang von der traditionellen Heimindustrie
zum Fabriksystem war bei der Baumwollindustrie mit
den bekannten technischen Innovationen verknüpft.
Etwa um 1789 kamen Spinning Mule und Spinning Jenny
zum Einsatz, das heißt mechanische Spinn- und Web-
maschinen. Seit 1783 wurden Spinnmaschinen von
Dampfmaschinen angetrieben. Damit waren entschei-
dende Schritte zum Aufbau der lange Jahre auf dem
Weltmarkt konkurrenzlosen englischen Textilindustrie
getan.
Die Standorte der frühen Textilindustrie waren auf
die gefällreichen Flanken des englischen Mittelgebirges,
der Penninen, konzentriert, die das nötige kalkarme,
weiche Brauchwasser zum Färben und Bleichen liefer-
ten. Mit dem Übergang von Wasserkraft zu Dampfbe-
trieb der Spinn- und Webmaschinen wurde dann die
Kohle wichtigster Standortfaktor. In dieser Phase kam
es, ähnlich wie in den deutschen Mittelgebirgen, zu einer
eher kleinräumigen Verlagerung der Betriebe von den
Oberläufen der Flüsse an den Rand des Mittelgebirges,
in die Nähe der tiefer gelegenen Kohlefelder. Es entstan-
USA
Japan
Deutschland
Großbritannien
Frankreich
Italien
Belgien
Luxemburg
Niederlande
500
400
300
200
100
0
1970
1980
1990
Abb. 5.25 Anzahl der Beschäftigten (in Tausend) in der Stahlin-
dustrie ausgewählter Länder zwischen 1970 und 1990. Seit
Mitte der 1970er-Jahre hatten alle europäischen Staaten, mehr
aber noch die Produzenten in den USA und Japan, teilweise
dramatische Rückgänge ihrer Stahlindustrie zu verzeichnen.
Stabil blieben vor allem die „nassen Hütten“ an Küstenstan-
dorten Deutschlands bzw. der Niederlande. Zeitweilig relativ
erfolgreich waren auch kleine Stahlwerke in Norditalien (verän-
dert nach: Volkmann 1993).
sprünglicher Standortgunst durch neue Branchen aus-
gleichen.
In der Diskussion um die „Revitalisierung“ von Alt-
industriegebieten bündeln sich eine ganze Reihe von
Problemkreisen: zunächst ökologische Probleme, vor
allem eine exzessive Umweltbelastung in Räumen paläo-
technischer Industrie, wie sie sich bis Anfang der
1990er-Jahre exemplarisch in der früheren DDR oder
im oberschlesischen Kohlerevier, aber auch in Nordost-
frankreich und Wallonien oder in Nordengland beob-
achten ließ. Als Erbe dieser Umweltbelastung bilden
kontaminierte Industriestandorte bis heute ein zentra-
les Problem, da sie eine Folgenutzung oft enorm
erschweren (Exkurs 5.6). Ferner werden zahlreiche öko-
nomische Probleme berührt: Regionen bzw. Industrie-
branchen, die am Ende ihres Produktlebenszyklus an-
 
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