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ßenstruktur mit agrarwirtschaftlichen Großunterneh-
men auf der einen und Kleinstbetrieben auf der anderen
Seite gebildet. Hier stehen sich Agroindustrien und Sub-
sistenzwirtschaften gegenüber.
Zudem betreiben zunehmend internationale Kon-
zerne ehemalige LPGs und Staatsbetriebe (Abb. 5.6). So
haben sich einige Großkonzerne herausgebildet. Bei-
spielhaft hierfür ist das dänisch-polnische Unternehmen
Poldanor: „In 2009 Poldanor runs arable production on
more than 15,000 ha and pig production based on a 18,000
sow herd. Pig production takes place in 30 farms. The
Company has constructed and runs 4 biogas plants. Polda-
nor employs almost 500 people“ (Poldanor 2010).
Ein weiteres Unternehmen stellt unter anderem das
niederländisch-polnische Unternehmen Okéchamp dar,
welches jährlich 40 000 Tonnen Champignons für den
europäischen Markt produziert (Okéchamp 2010).
Auch in Litauen finden sich viele hauptsächlich däni-
sche Direktinvestitionen in die Landwirtschaft. 2008
kam es hier zu Protesten der lokalen Bevölkerung, als ein
dänischer Landwirt seinen Schweinemastbetrieb in
Mažeikiai von 3000 auf 12 000 Schweine aufstocken
wollte. Gleiches gilt für das dänisch-litauische Agrar-
unternehmen „Saerimner“.
verträglichen und umweltfreundlichen Nahrungsmittel-
produktion gerecht zu werden. Ein erweitertes Aufga-
benfeld ergibt sich im Rahmen einer multifunktionalen
Landwirtschaft.
Die aktuellen Herausforderungen stellen sich für die
Agrarbetriebe in den einzelnen Regionen jedoch sehr
differenziert dar. Strukturwandel, Spezialisierung und
Modernisierungsprozesse sind unterschiedlich weit vor-
angeschritten. In der Landwirtschaft Europas bestehen
erhebliche räumliche Disparitäten hinsichtlich Bewirt-
schaftungsintensität, Betriebsgrößenstruktur und agrar-
sozialen Fragen, wobei sich schwierige Problemlagen
insbesondere in Ost- und Südeuropa einstellen. Selbst
auf regionaler und lokaler Ebene ist häufig ein kleinräu-
miges Muster unterschiedlicher Strukturen und Trends
festzustellen - eine Überlagerung von Prozessen der
Intensivierung und Extensivierung, der Spezialisierung
und Diversifizierung, der Globalisierung und erneuten
Wertschätzung von Regionalität sowie von Modernisie-
rung und Traditionsbewahrung. Dabei sind sowohl die
Anwendungen biotechnologischen Fortschritts als auch
die Ausbreitung des ökologischen Landbaus als innova-
tive Prozesse anzusehen. Diese Vielfalt an Entwicklungs-
trends und Ansprüchen an die Landwirtschaft führt
jedoch gerade in der Wohlstandsgesellschaft des dicht
besiedelten Europa immer wieder zu neuen Interessen-
und Nutzungskonflikten.
Aus dem vielschichtigen Themenfeld der aktuellen
Transformation der europäischen Landwirtschaft kön-
nen hier nur einige Aspekte beispielhaft beleuchtet wer-
den. Die Auseinandersetzungen um die Bio- und Gen-
technologie, die Förderung von Bioenergien, aber auch
die Vermarktung von Produkten aus alternativen
Produktionsweisen oder mit neu bewertetem Her-
kunftsbezug prägen die gegenwärtigen Diskurse um die
Landwirtschaft. Auch in Zukunft ist eine weitere Indus-
trialisierung und Leistungssteigerung der agrarischen
Produktion zu erwarten. Prozesse einer revolutionären
Neuorganisation der Agrarwirtschaft und Ernährungs-
industrie werden von bio- und gentechnologischen
Fortschritten und sich verändernden Ansprüchen der
Konsumenten gesteuert. Die erhöhten Forderungen
nach Nahrungsmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit, Her-
kunftsdokumentation sowie Tier- und Umweltschutz
können insbesondere von geschlossenen Produktions-
systemen erfüllt werden, welche alle Stufen des Produk-
tionsprozesses umfassen und auf die Erfüllung immer
komplexerer Ansprüche verschiedenster Marktsegmente
abzielen (Windhorst 2003). Vertragliche Verknüpfungen
der Akteure einer Produktionskette erlauben eine gute
Rückkopplung von Marktinformationen zum Erzeuger,
die konsequente Anwendung von Innovationen und
den Aufbau von Systemen der Qualitätssicherung. Die
Verlagerung der Verhandlungsmacht an das Ende der
Produktionskette hin zum hochgradig konzentrierten
Die zweite Transformation
der europäischen Landwirtschaft:
zwischen Biotechnologie und Bioland
Andreas Voth
Die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Ent-
wicklungen des Weltagrarhandels haben eine überreiche
Versorgung Europas mit einer großen Vielfalt an
Lebensmitteln zu günstigen Preisen sichergestellt. Den-
noch steht die Agrarwirtschaft im Europa des 21. Jahr-
hunderts weiterhin vor großen Herausforderungen
(Klohn & Voth 2010). Trotz des reduzierten Stellenwer-
tes der Landwirtschaft in der europäischen Wirtschaft
und Gesellschaft nimmt Europa bei vielen Agrarerzeug-
nissen eine herausragende Position in der weltweiten
Produktion ein. In einigen Bereichen sogar erzielte
Überschüsse dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass in globaler Perspektive die Nahrungsmittel-
versorgung keineswegs als langfristig gesichert gelten
kann. Anpassungen an den Nachfragewandel und an das
Nebeneinander verschiedener Konsumtrends werden
auch in Zukunft notwendig sein. Die unter dem Druck
des Weltmarktes und des fortschreitenden Strukturwan-
dels stehende Agrar- und Ernährungswirtschaft sieht
sich vor der schwierigen Aufgabe, den höchst unter-
schiedlichen Forderungen aus Politik und Gesellschaft
nach einer wettbewerbsfähigen, zuverlässigen, sozial
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