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Kapitel 3
Politische Geographien
Europas
Hans Gebhardt
„Europa ist ein Traum. Oder?!“, fragt etwas provokant Eckart Lohse in der FAZ vom
23. Juli 2011 in einer Zeit, in der die EU und ihr „europäisches Projekt“ in einer tiefen
Krise zu stecken scheinen. Vor diesem Hintergrund zeigen die Apologeten des Abge-
sangs auf die europäische Idee in Politik und Medien, dass es nicht Wenige gibt, die
möchten, dass die Vorstellung von einem stärker zusammenwachsenden Europa auch in
Zukunft eher ein Traum bleibt. Aber es gibt auch die andere Seite dieser Medaille. Es gibt
Politiker, Ökonomen, Bürgerinnen und Bürger, die für mehr Einheit, für mehr Gemein-
samkeit in Europa plädieren, die dafür in vielfältigen Kontexten Position beziehen und
sich aktiv einsetzen. Beiden Seiten mangelt es nicht an Prominenz.
Die Schärfe der Debatte zeigt, wie intensiv diese Frage viele Gemüter bewegt. Aus
Sicht der Politischen Geographie ist vor allem ihre inhaltliche Dimension bemerkens-
wert: Es handelt sich hier längst nicht allein um eine Debatte entlang sozialer Ungleich-
heiten, entlang von Einkommens- oder Wohlstandsgradienten in der Gesellschaft. Es
stehen nicht die Arbeiter und Bauern Europas gemeinsam gegen „die Kapitalisten“, und
es ist auch kein Kampf der Ideologien, der die Debatte befeuert. Der Streit um die
Zukunft Europas ist in starkem Maße auch eine Auseinandersetzung um Macht und
Raum. Es geht um die zukünftige „geo“-politische Ordnung und Gestaltung einer Groß-
region von kontinentalem Ausmaß, es geht um Fragen der Autonomie, der Kontrolle, der
Vergemeinschaftung von historisch lange völlig eigenständigen Nationalstaaten.
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