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Dinge. Längst habe ich das Handtuch
fallen lassen, denn auch die meisten
anderen Frauen sind im Evaskostüm.
So darauf bedacht, mit dem Hüfttuch
die Lenden zu bedecken, wie das dem
Vernehmen nach bei den Herren Usus
scheint, ist hier keine.
Schließlich kommt eine zweite Bade-
frau, beeindruckend in ihrer Üppigkeit,
und beginnt, mich mit dem erwähnten
Hanfhandschuh, dem kese , zu massie-
ren. Wörtlich bedeutet der Begriff
Kratzer, und das durchaus zu Recht.
Puterrot läuft die Haut an, und bald
bilden sich dunkle Krümel - kein Grund
zur Peinlichkeit, denn es ist nur die
oberste Hautschicht, die sich löst …
Meine Patronin aber lässt nicht ab und
schabt, reibt, scheuert und schrubbt
und vergisst nicht einen Quadratzen-
timeter meiner Körperoberfläche. Im
Stillen gestehe ich mir ein: So sauber
bist du noch nie gewesen.
Dann beginnt sie mit der eigent-
lichen Massage, mit Seifenschaum und
Kraft. Falls ich gedacht hatte, das
Schlimmste sei überstanden - ein Irr-
tum. Stahlhart ist der Griff, mit dem die
Badefrau meine Arme knetet, die
Beine walkt; sie lässt mich zwischen
ihren Beinen kauern, dass ihre schwe-
ren Brüste auf meinen Schultern liegen,
wühlt mir in den Haaren, pult in den
Ohren, fährt kraftvoll durch mein
Gesicht. Dann wieder in die Bauchlage:
Sie die Schultern, bis es knackt, und als
ihre Knöchel über meine Wirbelsäule
gleiten, schreit jede Bandscheibe um
Erbarmen. Doch nach erneutem Ab-
spülen, heiß und kalt, fühle ich mich
wie neugeboren. Die folgende Ölmas-
sage ist so etwas wie eine Abbitte, Lab-
sal für die gepeinigte Haut.
Alles überlebt …
Tulay und Yasemin, zwei jüngere Tür-
kinnen, nickten mir anerkennend zu, als
hätte ich die Prozedur besonders tapfer
ertragen. Wild gestikulierend ver-
ständigten wir uns, über die Kinder, den
Mann, den Beruf. Das Wichtigste aber
war das Lachen, eine Brücke über alle
Sprachschwierigkeiten hinweg. Abge-
trocknet und unendlich sauber genoss
ich meinen Tee. Tulay drehte den CD-
Player auf volle Lautstärke und fing an
zu tanzen, so selbstvergessen und
selbstbewusst hatte ich eine Türkin in
der Öffentlichkeit noch nie erlebt.
Als ich viel später aus dem Hamam
trat, hatte ich nicht nur die Schrittfolge
eines türkischen Tanzes gelernt, son-
dern auch etwas Wichtiges erfahren:
Jenseits aller öffentlichen Zwänge ken-
nen Türkinnen in den der Männerwelt
verschlossenen Räumen eine erstaunli-
che Offenheit.
Wichtig zu wissen
Hamams sind in allen Urlaubszen-
tren zu finden, teils in historischen
Gebäuden, teils als Neubauten,
teils integriert in die Wellness-
Anlagen der Luxushotels (dort ist
die Massage ebenso wie die Kese-
Waschung viel sanfter). Tradi-
tionell baden Frauen meist vormit-
tags an einzelnen Wochentagen,
für Männer ist danach bis gegen
21 Uhr geöffnet. In touristischen
Hamams dürfen gemischte Grup-
pen baden - allerdings mit Bade-
kleidung. Die Gebühren sind dort
deutlich höher.
Unter türkischen Männern ist es
(auch beim Waschen) üblich, ein
Handtuch um die Hüften zu tra-
gen. Andernfalls kann es zu sexu-
ellen Missverständnissen kommen!
von Petra Penke
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