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DONNERSTAG, DEN 1. APRIL
Ich kann mich wohl glücklich schätzen. Gerade ist mir aufgegangen, dass nicht viele Leute
die Reisen machen können, die ich gerade mache, und ich werde dafür auch noch bezahlt.
Gestern war ich in einer Buchhandlung und habe mir auf einer Weltkarte angesehen, wo ich
schon überall gewesen bin. Es ist noch gar nicht lange her, dass ich einmal zu Ricky gesagt
habe, wie völlig bescheuert ich es finde, dass bei ihm daheim an der Wand eine Weltkarte
hängt. Ich weiß noch genau, wie ich ihn fragte: »Wozu braucht man denn eine Weltkarte?
Das ist ja nicht gerade die Art von Karte, die man ins Handschuhfach packt, wenn man ein-
fach mal drauflosfahren will.« Dabei gibt es inzwischen sogar Karten vom Universum. Bei
welcher Gelegenheit nimmt man denn bitte schön eine solche Karte zur Hand? Nicht mal
Astronauten kaufen sich eine Karte vom Universum. Ich habe mal gehört, dass sich das Uni-
versum ohnehin ständig vergrößert und verändert, da ist doch jede Karte schon veraltet, ehe
die Druckfarbe überhaupt getrocknet ist.
Heute habe ich also mal wieder meine Siebensachen zusammengesucht. Jamie, mein Pro-
ducer, kam vorbei, und wir unterhielten uns, während ich meinen Koffer packte. Ich sagte
ihm, dass ich rein gar nichts über Mexiko wisse. Das Einzige, was mir beim Stichwort Me-
xiko einfalle, sei diese Restaurantkette, Chiquito, die man manchmal in den großen Shop-
pingcentern entlang der Autobahn findet. Dort gibt es Wraps und stark gewürzte Soßen, die
eigentlich ganz gut schmecken. Aber nur weil irgendwas gut schmeckt, heißt das noch lange
nicht, dass man das Herkunftsland auch gut findet. Ich mag zum Beispiel Curry-Gerichte,
aber Indien war definitiv der schlimmste Ort, an dem ich je gewesen bin.
Jamie erzählte mir, dass Mexiko mehr oder weniger gesetzlos sei. Keine Ahnung, ob das
gut ist oder schlecht. Wenn ich in einem Land wohnte, in dem es keine Gesetze gäbe, wüss-
te ich spontan nicht, ob ich mich in irgendeiner Weise anders verhalten würde als jetzt. Ich
glaube ja, dass die meisten Leute, die gegen ein Gesetz verstoßen, ganz genau wissen, dass
das verkehrt ist. Und dass sie es trotzdem tun, weil es aufregend ist. Als kleiner Junge ha-
be ich hin und wieder mal etwas geklaut, aber das waren immer nur Sachen, die ich über-
haupt nicht brauchte. Im Zeitungsladen zum Beispiel waren es mal ein Lineal, Stifte und ein
Geodreieck. Ich wusste zwar nicht, was ich damit anfangen sollte - was ich aber sehr wohl
wusste, war, dass ich sie nicht einfach hätte mitnehmen dürfen. Wären diese Sachen umsonst
gewesen, hätte ich nicht das geringste Interesse daran gehabt.
Jamie erzählte also von dieser Gesetzlosigkeit, und ich bekam so eine Ahnung, dass Mexi-
ko sein könnte wie auf der PlayStation »Grand Theft Auto« spielen: Man fährt drauflos und
überfährt irgendwelche Leute oder erschießt sie oder jagt Dinge in die Luft. Aber irgend-
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