Travel Reference
In-Depth Information
Ich stellte mich unter die Dusche und wusch mir das Pulver vom Holi-Fest ab. Als die rote
Farbe in den Ausguss lief, kam ich mir vor wie in einer Szene aus Psycho . Um die Farbe aus
meinen Ohren zu entfernen, brauchte ich ganze sechs Wattestäbchen.
Als ich wieder sauber war, ging ich zum Ganges hinunter. Es war das erste Mal, seit ich
in Indien angekommen war, dass ich so etwas wie einen Hauch von Ruhe verspürte. Luke
erzählte mir, dass der Ganges der heiligste Fluss auf der ganzen Welt sei. »Heilige Schei-
ße«, erwiderte ich, »und die Straßen hierzulande dürften die löchrigsten auf der ganzen Welt
sein.«
Zum Abendessen gab es ein Curry, und dann legten wir uns schlafen.
DIENSTAG, DEN 2. MÄRZ
Abwechslung tut Wunder, heißt es so schön in einem englischen Sprichwort, das mir an die-
sem Morgen durch den Kopf schoss. Indien bietet in der Tat Abwechslung und ist wunder-
lich obendrein. Dass mein Magen verrücktspielte, verwunderte mich allerdings überhaupt
nicht. Ich steckte mir sicherheitshalber eine der Windeln in die Tasche, erwähnte dies aller-
dings Luke gegenüber mit keiner Silbe, da er sonst bestimmt wieder Aufnahmen davon für
die Fernsehserie hätte machen wollen.
Ich habe das Gefühl, dass ich angesichts all der Wunder, die hier um mich herum passieren,
weniger blinzele als normalerweise, weil es so viel zu entdecken gibt, das ich unter keinen
Umständen verpassen will. Vielleicht sind meine Augen auch deshalb so müde. Außerdem
habe ich in der vergangenen Nacht nicht besonders gut geschlafen, weil es draußen so laut
war. Um 2 Uhr wachte ich auf, weil irgendein Typ irgendwas in ein Mikrofon plärrte. Und
nach jedem Satz durchs Mikrofon folgte ein gigantisches Gejohle. Es klang so, als würden
Tausende von Menschen seiner Rede lauschen und ihm zujubeln. Es war einfach unmöglich
zu schlafen. Ich wünschte, ich hätte mir nicht die ganze Farbe vom Holi-Fest aus den Ohren
gewaschen. Sie hätte das Getöse draußen vielleicht ein wenig gedämpft.
Jeden Tag zwischen 7 und 8 Uhr und dann noch mal von 18 bis 19 Uhr werden Mantras
über Lautsprecher übertragen, die draußen an den Laternenmasten hängen. Erst singt ein
Mann das Mantra vor, dann singt es eine Frau nach. Man kann dem Ganzen nicht entkom-
men. Es ist wie damals, als Bryan Adams die Charts mit »(Everything I Do) I Do It For
You« anführte. Welchen Sender auch immer man einschaltete - es lief nur dieses eine Lied.
Search WWH ::




Custom Search