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Bevor ich mich schlafen legte, habe ich in meinem Zimmer noch mal meine Tanzschritte
geübt und dann im Bad noch ein bisschen in den Spiegel gelächelt. Es sah nicht besonders
natürlich aus, andererseits konnte ich mich auch nicht allzu gut sehen, weil mein Bad ja kein
Licht hat.
MITTWOCH, DEN 17. FEBRUAR
Tag des Karnevals. Ich hatte mehr Schiss, heute vor einer großen Menschenmenge vorzu-
tanzen, als gestern, als wir durch die drogen- und waffenverminte Favela fuhren.
Um 13 Uhr trafen wir am Veranstaltungsort ein. Dort wurde mir mitgeteilt, dass ich erst
um 20.45 Uhr drankommen würde. Ich hatte bereits mein riesiges, befedertes Teletubby-Ko-
stüm an und auch keine andere Kleidung im Gepäck, sodass ich im Bus bei Bin Laden sitzen
blieb, während die anderen die Kameraausrüstung aufbauten. Es wurde ein verdammt langer
Nachmittag. Bin Laden und ich konnten uns aufgrund unserer Sprachbarriere nicht unter-
halten. Obwohl es mich bei dem mürrischen Eindruck, den er immer macht, nicht wundern
würde, wenn er hervorragend Englisch spräche, aber einfach nur nicht mit mir reden wollte.
Irgendwann nickte ich für ein Stündchen ein, und Krish und Christian weckten mich, um
mir mitzuteilen, dass Henrique gerade in der vorüberziehenden Parade tanzen würde. Wir
entdeckten ihn in der Masse, und er zeigte mir auf die Schnelle noch ein paar Tanzschritte,
die leichter zu merken waren als diejenigen, die er mir gestern beigebracht hatte. Am Ende
sagte er noch, dass ich, sollte ich die Schritte vergessen haben, einfach ganz viel Energie
versprühen solle und unter keinen Umständen vergessen dürfe zu lächeln.
Wir aßen bei Bob's Burger, das brasilianische Pendant zu McDonald's, und danach kann
ich mich nicht mehr wirklich an viel erinnern. Zwischen dem Burger und dem Beginn mei-
ner Parade habe ich quasi einen Filmriss. Ich weiß erst wieder, dass Henrique mich an die
richtige Position bugsierte und die Sache mit der Energie wiederholte. Und mich daran er-
innerte, die ganze Zeit zu lächeln. Dann explodierten Feuerwerkskörper - und mein Magen.
Keine Ahnung, ob das die Nerven waren oder der Burger von Bob, jedenfalls raste ich in
einem Affenzahn zur nächsten Toilette, weil ich nicht auf halber Strecke des Karnevalsum-
zugs vor viertausend Zuschauern und noch mal halb so vielen Juroren in mein Federkostüm
kacken wollte.
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