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FREITAG, DEN 12. FEBRUAR
Wir sind heute sehr früh aufgestanden. Um 5 Uhr. Wir wollten zu Cristo Redentor. Scheiß
auf Ganzkörperenthaarung und Sonnenbad am Schwulenstrand. Wegen Cristo Redentor
war ich schließlich hier.
Wir fuhren mit einem Kleinbus, den wir in Rio angemietet hatten. Der Kleinbus kam mit-
samt Fahrer, der sich uns als Bin Laden vorstellte. Der Kerl war ziemlich schlecht drauf. Er
mochte es nicht, wenn jemand von uns an der Klimaanlage herumfummelte, und außerdem
hatten wir seiner Ansicht nach zu viel Gepäck dabei.
Wir erreichten den Riesenjesus im Morgengrauen. Cristo Redentor ist nicht annähernd so
groß, wie ich ihn mir vorgestellt habe, aber in aller Herrgottsfrühe dort völlig allein zu sein,
fühlte sich trotzdem irgendwie erhaben an. Er steht ziemlich weit oben, und von dort aus
kann man durch die Wolken auf die gesamte Stadt Rio hinunterschauen. Weiß der Himmel,
wie sie ihn dort hinaufgeschafft haben. Der Typ, der meine Waschmaschine von Comet ge-
liefert hatte, hatte sich allein schon darüber beschwert, dass er das Gerät in meine Wohnung
im dritten Stock schleppen musste. Vielleicht ist der Riesenjesus ja gerade deshalb eins der
Weltwunder.
Ein weiterer Grund könnte aber auch die Umgebung sein. Ich bin mir ziemlich sicher,
dass kein Mensch von ihm Notiz nehmen würde, wenn er im Industriegebiet außerhalb von
Stretford auf einer Verkehrsinsel stehen würde.
Mit der Sonne kamen die fliegenden Ameisen. In Hundertschaften. Und riesig waren sie
auch noch. Ich bin ja der Meinung, dass Ameisen wirklich nicht fliegen können müssen.
Laufen können sie ja auch nicht. Ich hab sie beobachtet. Sie kommen und kommen und
kommen nicht von der Stelle, und mit dem Fliegen klappt es noch schlechter.
Wir stiegen wieder hinunter und trafen uns mit einer Frau namens Dolores, die den Rie-
senjesus über alles liebt. Unterwegs erstand ich eine Kokosnuss - schon wieder ein erstes
Mal für mich: Essen und Trinken in einem. Sie sah kein bisschen aus wie diese normalen
Kokosnüsse, die auf irgendwelchen Volksfesten angeboten werden. Sie war beispielsweise
kein bisschen haarig. Ich weiß nicht genau, ob die hierzulande nun mal so wachsen, oder
ob es mit dieser brasilianischen Marotte zu tun hat, dass nichts und niemand behaart sein
darf, und der Verkäufer sie deswegen gewachst hat.
Dolores fuhr in einem Strandbuggy vor, ich stieg ein, und sie nahm mich wieder mit hin-
auf und zeigte mir unterwegs alle möglichen Sehenswürdigkeiten, zum Beispiel das Haus,
in dem Ronnie Biggs, der Postzug-Räuber, mal gewohnt hat.
Inzwischen war es oben bei Cristo Redentor ziemlich voll geworden und nur noch halb so
schön wie zuvor am Morgen. Hunderte Touristen tummelten und drängelten sich am Fuß
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