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3.1
Neoliberalismus und urban governance
zeitig erkannte man, dass die Städte wie freie Unternehmen im
Wettbewerb um Investitionen, wirtschalichen Erfolg und die
hellsten Köpfe in anderen Städten stehen. Es wurden neue Urban
governmentFormen entwickelt, die auf einer Zusammenarbeit
mit dem privaten Sektor in Form von public private partnerships
und business improvement districts mit minimaler Einmischung
durch die Kommune und maximaler Kostendeckung durch pri
vate Investoren setzten. Der amerikanische Staat wie auch die
Städte zogen sich aus dem sozialen Wohnungsbau und anderen
Hilfsmanahmen für Bedürige zurück, förderten aber gleich
zeitig den Umbau der Innenstädte zu Schaufenstern der Region,
um privates Kapital und neue Urbaniten anzuziehen. Das Kapitel
wird nicht mehr eingesetzt, um die Belange aller Bürger glei
chermaen zu berücksichtigen, sondern bevorzugt die ohnehin
besser Gestellten. Während in der liberalen Stadt noch jeder Bür
ger die gleichen Rechte genoss, schliet die neoliberale Stadt be
stimmte Gruppen der Bevölkerung bewusst aus. Die permanente
Überwachung öentlicher Räume und eine NullToleranzPolitik
ermöglichen die Vertreibung von Unerwünschten, die den Ge
samteindruck beeinträchtigen könnten (Brenner und eodore
2002, S. 2025; Knox und McCarthy 2012, S. 245246; Leitner
et al. 2007, S. 4).
Wie sich zuletzt 2011 im Wahlkampf um das Amt des Prä
sidenten gezeigt hat, setzen sich insbesondere die Republikaner
für eine Reduzierung der Aufgaben von Verwaltung und Re
gierung ein. Diese Einstellung wird aber längst nicht von allen
Amerikanern geteilt. Die Gegner der Privatisierung fürchten,
dass private Unternehmen zu viel Macht ausüben, auch im Falle
von Katastrophen gewinnorientiert arbeiten, langfristig hohe
Kosten verursachen und dem Gemeinwohl zu wenig verpich
tet sind. Auerdem wird immer wieder von Korruption und
unerlaubter Vorteilnahme der privaten Unternehmen berichtet
(Gotham 2012, S.  633). Der demokratische Präsident Barack
Obama verfolgt eigentlich eine andere Ideologie, wird aber bei
der Umsetzung seines Programms immer wieder von der Op
position gebremst, da die Republikaner die Mehrheit im Reprä
sentantenhaus des Kongresses haben und viele Gesetzesvorlagen
blockieren.
1
Das Konzept des Neoliberalismus wurde in den 1940erJahren
entwickelt, ist seitdem aber mehrfach verändert worden und wird
in einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt. Ursprünglich
hatte der Neoliberalismus die liberale Wirtschasordnung des
19. Jahrhunderts, in der die Kräe des Marktes frei herrschten,
angeprangert und nach einer neuen gerechteren Ordnung ge
sucht. Das Streben nach Deregulierung und Privatisierung ver
stärkte sich nach der Ölkrise von 1973, als aus der Sicht vieler
Briten und Amerikaner die in Grobritannien regierende Labour
Party und die Democratic Party in den USA völlig versagt hat
ten. In Grobritannien gri Ende der 1970erJahre die dama
lige Oppositionsführerin Margaret atcher mit Unterstützung
durch mehrere konservative inktanks das theoretische Kon
zept des Neoliberalismus auf und machte es im Wahlkampf zum
Programm der neuen Regierung (Peck und Tickell 2007). 1979
wurde atcher britische Premierministerin und Ronald Reagan,
der die gleiche Ideologie vertrat, wurde 1981 zum 40. Präsidenten
der USA vereidigt. atcher und Reagan glaubten, die Prote
durch eine Reduzierung von Staat und Verwaltung steigern zu
können, und wurden zum wichtigsten Vertreter der Neolibe
ralismus, der auch als Washington Consensus bezeichnet wird.
Da in den USA der Wunsch nach einer grötmöglichen Freiheit
des Individuums und die damit verbundene Angst vor einem big
government tief in der Geschichte des Landes verwurzelt ist, el
die Idee eines Neoliberalismus, der nicht den Staat, sondern den
Markt als wichtigsten Regulator für Wirtscha und Stadtentwick
lung sieht, auf fruchtbaren Boden. Der Staat lenkt nicht direkt,
sondern nur indirekt aus einer groen Distanz. Die staatliche
Bürokratie wird zugunsten privater und halbstaatlicher Entschei
dungsträger beschnitten. Das Individuum soll Entscheidungen
zu eigenen Gunsten treen, da davon ausgegangenen wird, dass
der Gemeinscha nutzt, was dem Einzelnen förderlich ist. Ent
scheidungen werden anhand von KostenNutzenAnalysen und
nicht nach sozialen Gesichtspunkten getroen. Selbst die Emp
fänger von Sozialleistungen waren von diesem Konzept und dem
damit verbundenen Rückzug aus dem Wohlfahrtsstaat überzeugt,
da sie sich nichts mehr von der Regierung vorschreiben lassen
wollten und die staatlichen Sozialleistungen ohnedies schlecht
waren (Leitner et al. 2007, S. 47).
Basierend auf der Ideologie des Neoliberalismus haben in den
USA seit Beginn der 1980erJahre der Bundesstaat, die Einzel
staaten und die Kommunen zunehmend öentliche Aufgaben an
private Unternehmen oder gemeinnützige Organisationen über
tragen, die heute Straen bauen, Schulen leiten, Obdachlose und
sozial Schwache betreuen, für den Nahverkehr verantwortlich
sind und sogar Gefängnisse bauen und leiten. Anhänger der
freien Marktwirtscha unterstützen die Privatisierung, da private
Unternehmen angeblich kostengünstiger und ezienter arbeiten
können (Gotham 2012, S. 633). Die Auswirkungen auf die US
amerikanischen Städte, von denen sich viele in einer Abwärts
spirale befanden und für wichtige Investitionen die nanziellen
Mittel fehlten, waren gravierend. Die Kommunalpolitiker grien
das Gedankengut des Neoliberalismus dankbar auf, da Privatisie
rung und Deregulierung einen Rückzug aus kommunalen Auf
gaben erlaubten und die öentlichen Kassen schonten. Gleich
2
3
3.2
Bürgermeister
Deindustrialisierung, Deregulierung, Globalisierung, Neoli
beralismus und Suburbanisierung haben die Städte vor groe
Aufgaben gestellt, für deren Bewältigung die Bürgermeister ver
antwortlich sind ( . Abb. 3.1 ). Die Städte sind heute wie Unter
nehmen zu führen, deren Manager die Bürgermeister sind. Ihre
Visionen und Tatkra, aber auch ihr Versagen haben die Ent
wicklung vieler Städte mageblich geprägt. Michael Bloomberg,
von 20022013 Bürgermeister von New York, hat die Stadt prag
matisch wie das von ihm zu Beginn der 1980er Jahre gegründete
Unternehmen Bloomberg News, das ihn zum vielfachen Milli
adär machte, geführt. Aufgrund seines Reichtums galt er als un
bestechlich und auch in parteipolitischer Hinsicht unterwarf er
sich kaum Zwängen. Bloomberg war lange Demokrat, wechselte
2001 zu den Republikanern, um seine Chancen bei den Wahlen
für das höchste Amt der Stadt zu erhöhen; erklärte sich 2007
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