Geography Reference
In-Depth Information
ersten Chinesen von den Goldfunden in Kalifornien angezogen
und wenig später zu wichtigen Arbeitskräen im Eisenbahnbau
wurden. Die fast ausschlielich männlichen Einwanderer plan
ten baldmöglichst nach China zu ihren Familien zurückzukeh
ren. In den Städten bildeten sie mit den Chinatowns segregierte
Enklaven mit einer eigenen Ökonomie, die sich gegen Einsicht
und Einüsse von auen abschotteten. Viele der Chinatowns
sind bis heute erster Wohnstandort chinesischer Einwanderer,
da sie hier ihre Kultur und Sprache beibehalten können. Andere
Chinatowns wie die am Rand der Innenstadt von Washington,
D.C., haben sich zu entertainment districts entwickelt, in denen
allenfalls noch die charakteristischen Torbögen an die früheren
Bewohner erinnern.
4.6.2
Sozioökonomische Segregation
In den Städten haben Arme und Reiche stets auf engstem Raum
nebeneinander in isolierten Welten gelebt. Chicagos Near North
Side war lange ein Stadtteil der Extreme, denn hier standen sich
nicht nur sehr unterschiedliche sozioökonomische Gruppen,
sondern auch Baublöcke mit den höchsten und den niedrigs
ten Bodenpreisen der Stadt gegenüber. Die Near North Side
erstreckt sich mit einer Länge von 2,4 km und einer Breite von
1,6 km westlich des Lake Michigan und wird im Süden und im
Westen durch den Chicago River begrenzt. In den 1920erJahren
teilten sich rund 90.000 Menschen aus 29 Nationen diesen engen
Raum. Die meisten Politiker und fast alle 400 Familien, die dem
Social Register (einer Art Verzeichnis prominenter und wohlha
bender Einwohner) der Stadt angehörten, lebten östlich der State
St. direkt am See an der sogenannten Gold Coast. Ihr Leben ver
lief nach genauen gesellschalichen Regeln. In den Baublöcken
westlich der State St. breitete sich extreme Armut aus. Typisch
waren die rooming houses (billige Hotels), denn viele Bewohner
waren auf der Durchreise und lebten nur vorübergehend hier.
Da die Kriminalitätsrate sehr hoch war, wurde das Viertel als
Little Hell bezeichnet. Die Reichen überquerten nie die State
St., um die armen Straenzüge aufzusuchen (Zorbaugh 1929).
Heute sind die meisten USamerikanischen Städte groräu
mig in Viertel mit einer groen Konzentration von Armut und
Reichtum unterteilt. In Chicago leben die Wohlhabenden bevor
zugt auf der North Side und die Armen konzentrieren sich auf
die South Side, in Manhattan wohnen die Bessergestellten im
Südteil und die Einkommensschwachen im Norden, in Washing
ton konzentrieren sich die Vermögenden auf den Nordwestsektor
der Stadt und die Armen leben südlich des Anacostia River. Die
sozioökonomische Verteilung der Bevölkerung korreliert häug
mit der ethnischen Segregation. Die kleinräumigen Gegensätze
sind heute vielleicht nicht mehr so krass wie von Zorbaugh 1929
für Chicago dargestellt, aber immer noch deutlich zu erkennen.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war es den Angehörigen von Min
derheiten gesetzlich verboten, in bestimmte Viertel zu ziehen.
Auch wenn diese Gesetze längst aufgehoben sind, erfolgte keine
wirkliche Durchmischung der einzelnen Gruppen, da der Zu
gang zu einem Wohnstandort über den Bodenwert geregelt wird
( . Abb. 4.34 ). Die Asiaten verfügen mit rund 65.000 USDollar
pro Jahr über das mit Abstand höchste Haushaltseinkommen, ge
. Abb. 4.33 Vermarktung von Japantown in San Francisco
folgt von den Weien mit 52.000 USDollar. Diese beiden Grup
pen können ihren Wohnstandort relativ frei wählen, während
die hispanics und die Schwarzen mit einem Haushalteinkommen
von nur knapp 39.000 bzw. gut 32.000 USDollar kaum Wahl
möglichkeiten haben (   www.census.gov ). Da sich die Bewohner
benachteiligter Viertel einen Umzug in eine bessere neighbor
hood nicht leisten können, verbleiben sie an ihrem langjährigen
Wohnstandort, selbst wenn dieser keinerlei Aufstiegschancen
bietet oder von Bandenkriminalität beherrscht wird.
Ein besonderes Problem stellen die groen Areale konzen
trierter Armut mit hoher Arbeitslosigkeit, Armut, Bandenkri
minalität, Drogenmissbrauch, hohen Geburtenraten und einem
groen Anteil alleinerziehender Mütter dar. In baulicher Hinsicht
zeichnen sich diese hyperghettos durch einen groen Verfall und
durch einen Mangel an öentlicher Infrastruktur aus. Selbst die,
die Arbeit haben, können o nicht ihre Familien ernähren und
gelten als working poor (SchneiderSliwa 2005, S. 148149). Alle
Programme zur Bekämpfung der Armut haben bislang versagt.
Wilson (1987, S.  109124) bezeichnete die Armen der Kern
städte als truly disadvantaged oder ghetto underclass, wozu
überproportional häug die Schwarzen gehören. Anders als
Weie, die im Zuge der Deindustrialisierung ihren Arbeitsplatz
verloren haben, haben sie weit seltener eine neue Beschäigung
gefunden und sind nicht so häug in den suburbanen Raum ge
zogen (Rothstein 2012). Bis heute hat sich ihre Situation kaum
verbessert und durch den Abriss vieler public housing projects der
Zugang zu bezahlbarem Wohnraum sogar noch verschlechtert.
Search WWH ::




Custom Search