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mit der Konstruktion einer Dechifriermaschine, durch die während des
Zweiten Weltkriegs die verschlüsselten Funksprüche der deutschen Wehr-
macht von den Alliierten mitgelesen werden konnten. Dies war entscheidend
dafür, dass die deutschen U-Boote ihre Dominanz im Nordatlantik verloren
und der Seeweg von Amerika nach England abgesichert werden konnte.
Später war er auch an der Entwicklung der frühen britischen Computer
beteiligt und stellte als Erster Überlegungen zur »Künstlichen Intelligenz«
an. Als Langstreckenläufer verpasste er nur knapp die Qualiikation für die
Olympischen Spiele 1948 in London. Tragisch verliefen seine letzten Lebens-
jahre: Wegen seiner Homosexualität wurde er strafrechtlich verfolgt und
sogar verurteilt. Einer Gefängnisstrafe konnte er sich nur dadurch ent-
ziehen, dass er sich einer damals verbreiteten »Behandlung« mit Östrogen-
en unterzog. Mit nur 41 Jahren verstarb Turing im Jahr 1952 an einer
Cyanid-Vergiftung, deren Ursache nie ganz aufgeklärt werden konnte. Mög-
licherweise hatte er den Freitod gewählt.
Die nachhaltigste Wirkung in der Wissenschaft hatte Turing mit einem
Aufsatz, der bereits 1937 erschienen war. Er trägt den kuriosen Titel On
Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem . 134
»The Entscheidungsproblem« - das war eine der großen theoretischen
Herausforderungen der damaligen Zeit. Es dreht sich dabei um die Frage,
ob man für jedes mathematisch formulierbare Problem ein Berechnungsver-
fahren angeben kann, bei dessen Anwendung man auch tatsächlich irgend-
wann ein Ergebnis erhält. 135 Oder, auf Computer bezogen: Gibt es für jedes
im Computer darstellbare Problem ein Programm, mit dem dieses Problem
gelöst werden kann? Das hat unmittelbare praktische Auswirkungen. Turing
hatte noch keinen Computer zur Verfügung, für den er dieses Problem so
hätte formulieren können. Deshalb überlegte er sich das Modell für einen
selbständig arbeitenden Mechanismus, mit dem man Berechnungen Schritt
für Schritt durchführen kann - die sogenannte »Turing-Maschine«. Seitdem
gelten Turing-Maschinen als eine Art Standard für die Formulierung von
Berechnungsverfahren, von Algorithmen. Turing hatte dann den genialen
Einfall, auf dem Papier eine allgemeine Turing-Maschine zu entwickeln, mit
der unterschiedliche Turing-Maschinen für spezielle Berechnungen simuliert
werden können, also eine Turing-Maschine für Turing-Maschinen. Damit
gelang es ihm zu zeigen, dass eine solche allgemeine Turing-Maschine nicht
in der Lage ist, für alle speziellen Turing-Maschinen anzugeben, ob ihre
Berechnungen irgendwann zu einem Abschluss kommen. Es gibt also
konkret formulierbare Probleme, die nicht mit einem Computerprogramm
verlässlich gelöst werden können.
 
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