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Theologe und Ingenieur eine Kapazität von internationalem Ruf. Er wird oft
als das letzte Universalgenie bezeichnet, denn nach ihm war es nicht mehr
möglich, maßgeblich in so vielen verschiedenen Wissenschaftsbereichen
tätig zu sein. 122 »Dieser Mann hat allein Deutschland so viel Ruhm gebracht,
wie Platon, Aristoteles und Archimedes zusammen Griechenland«, befand
Denis Diderot schon 1765 in seiner Enzyklopädie. 123 Für Leibniz spiegelt
das Binärsystem oder die »Dyadik«, wie er sie nannte, die göttliche Schöp-
fung wider, die sich ja zwischen dem Nichts (der Null) und dem Wort Gottes
(der Eins) entfaltet. 124 1696 hatte er diese Überlegungen seinem Herzog
Rudolf August vorgestellt, der begeistert war und gleich eine Medaille mit
den ersten 15 Zahlen im Binärsystem gravieren ließ - wozu das Ganze gut
sein sollte, wussten aber weder er noch Leibniz selbst. Ein Aufsatz, mit dem
sich Leibniz bei der Akademie der Wissenschaften in Paris einführen wollte,
war von dort zurückgewiesen worden mit dem Hinweis, es müsse noch
dargelegt werden, wie das binäre Zahlensystem für die Praxis geeignet sei.
Obwohl Leibniz empört ist, überarbeitet er den Aufsatz, stellt die grundle-
genden Rechenoperationen im Binärsystem dar und versucht sich an einer
mathematischen Deutung des I Ging , einem altchinesischen Text, in dem 64
Zeichen vorkommen, die aus jeweils zwei Strichen zusammengesetzt sind.
Er deutet diese Zeichen - fälschlich, wie man heute weiß - als binäre Zahlen.
Eine zweite Anwendungsmöglichkeit des Binärsystems, über die er
nachgedacht hatte, erwähnt Leibniz in seinem schließlich 1705 erschienen-
en Aufsatz mit dem Titel Explication de l'Arithmétique Binaire nicht: den
Bau einer Rechenmaschine. Dazu hat er nur lose Notizen hinterlassen.
Bis es damit soweit sein sollte, wurden Kodierungen allerdings für andere
Zwecke eingesetzt. Zahlen und Buchstaben liegen, anders als Klänge und
Bilder, schon in ordentlich abgegrenzter und sortierter Form vor, weshalb
sie sich immer schon besonders gut für die Nachrichtenübermittlung
eigneten - so etwa bei der elektrischen Telegraie ab Mitte des 19. Jahrhun-
derts, bei der Schrift im Morse-Alphabet kodiert wurde. Das Morse-Alphabet
umfasst drei Zustände, lang, kurz und Stille, weshalb damit Zeichen nicht im
Binärsystem wiedergegeben werden konnten. Mit der Weiterentwicklung
der Telegraie wurden außerdem Codes notwendig, bei denen jedes Zeichen
gleich lang erscheint - das war beim Morse-Alphabet noch nicht so. Der
französische Ingenieur Émile Baudot war 1870 der Erste, der nicht nur Zah-
len, sondern auch Buchstaben und Interpunktionszeichen binär kodierte, um
das Verschicken von Texten per Fernschreiber zu verbessern. 125 Der Ferns-
chreiber war bis zum Aufkommen des Fax-Geräts und später dem Siegeszug
des Internet ein äußerst wichtiges Instrument zur Nachrichtenübermittlung.
 
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