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Individualität einer Handschrift wurde schon mit dem Aufkommen der
Schreibmaschine im 19. Jahrhundert eine Normierung entgegengestellt, bei
der fest eingebaute Typen für ein vom Schreiber unabhängiges Schriftbild
sorgen. Die Schreibmaschine überträgt Gutenbergs Idee der mechanisierten
Textproduktion auf das individuelle Schreiben, um dadurch Zeit- und Les-
barkeitsvorteile zu erzielen. Geübte Schreibmaschinen-Schreiber bringen es
auf mehrere Hundert Anschläge pro Minute und erzielen dabei noch ein les-
bares Schriftbild, was mit handschriftlichem Schreiben nicht erreicht wer-
den könnte. Die sofortige Herstellung von Kopien eines Textes mittels
Kohlepapier-Durchschlägen war, vor der Erindung des Fotokopiergeräts, ein
weiterer Vorteil des Maschineschreibens, der vor allem für die Verwaltung
wichtig wurde. Das Schreiben mit dem Computer, wie wir es heute praktiz-
ieren, reduziert das »Hand-Werk« des Schreibens schließlich auf den leicht-
en Druck auf die Tasten einer Computertastatur.
Wir haben gesehen, dass die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens
durchdrungen sind von ihrer historischen Entwicklung, den Eigenschaft des
Zeichensystems Schrift und seinem Verhältnis zur Sprache, den medialen
Voraussetzungen, den kognitiven Gegebenheiten des Menschen und der
umgebenden gesellschaftlichen Praxis. All das prägt die Kulturtechniken der
Schrift zu jedem Zeitpunkt, und wenn wir heute einen Text lesen oder
schreiben, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass diese Tätigkeiten über
Generationen entstanden, von unseren Vorfahren nach und nach verfeinert
und von uns mühsam erlernt worden sind - so einfach und natürlich sie uns
jetzt auch erscheinen mögen. Es ist ein Gefüge von Bedingungen, das sich
verschiebt, wenn sich nur eine dieser Bedingungen zu verschieben beginnt.
Und genau das indet derzeit mit der Digitalisierung des Lesens und
Schreibens statt.
Lesen und Schreiben sind nach und nach so wichtige Tätigkeiten in unser-
er Gesellschaft geworden, dass wir Organisationsformen entwickelt haben,
die Konsequenzen ihrer Anwendung sind. In Schulen wird Lesen und
Schreiben unterrichtet, in Archiven Geschriebenes aufbewahrt. Verlage, Ver-
waltungen, Gerichte und Universitäten produzieren und reproduzieren vor
allem Texte, und zugänglich gemacht werden sie in Bibliotheken und Buch-
handlungen. Es ist eine ganze Schriftkultur entstanden, und auch wenn die
Gebäude der Schriftkultur noch so imposant sein mögen, kleinste Veränder-
 
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