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und der nicht sichtbare Teil, auf der Oberläche des Instru-
ments zu erkennen und die einzelnen Positionen mithilfe von
Markierungen leicht zu bestimmen. Dies erlaubt eine große
Anzahl astronomischer Probleme auf eine visuelle Art zu lö-
sen. Typische Anwendungen eines Astrolabiums beinhalten
das Bestimmen der Zeitspanne zwischen Tag und Nacht, das
Bestimmen des Zeitpunkts eines Himmelsereignisses - wie
z. B. Sonnenauf- oder Sonnenuntergang - und als handliches
Nachschlagewerk für Himmelspositionen. In den islamischen
Ländern wurden Astrolabien auch benutzt, um die Zeiten für
die täglichen Gebete und die Richtung nach Mekka zu be-
stimmen.
Die Ursprünge der Astrolabien liegen vermutlich in Grie-
chenland. Apollonius (ca. 225 v. Chr.), der sich intensiv mit
Kegelschnitten beschäftigte, studierte wahrscheinlich die
zur Erstellung von Astrolabien notwendigen Projektionen.
Wesentliche Erkenntnisse gelangen auch Hipparchus , der in
Nicaea (dem heutigen Iznik in der Türkei) um 180 v. Chr.
geboren wurde, aber auf Rhodos studierte und arbeitete. Hip-
parchus charakterisierte die Projektion als eine Methode, um
komplexe astronomische Probleme ohne sphärische Trigo-
nometrie zu lösen, und er bewies wahrscheinlich ihre Haupt-
charakteristika. Hipparchus hat zwar nicht das Astrolabium
erfunden, wohl aber die Projektionstheorie verfeinert.
Das älteste Beweisstück für die konkrete Benutzung der
stereograischen Projektion ist ein Schriftstück des römischen
Autors und Architekten Vitruvius (ca. 88 bis ca. 26 v. Chr.).
Er beschreibt in De architectura eine Uhr, die von Ctesibius
in Alexandria hergestellt wurde und in der eine stereograi-
sche Projektion benutzt wurde. Ausführlichere Informationen
indet man bei Claudius Ptolemy (ca. 150 n. Chr.). Er schrieb
umfassend über Projektionen in seiner als Planisphaerium
bekannten Arbeit. In ihr gibt es konkrete Hinweise, dass er
ein Astrolabien-ähnliches Instrument besessen haben könnte.
Ptolemy verfeinerte außerdem noch die Fundamentalgeome-
trie des bis dahin bekannten Erde-Sonne-Systems und schuf
damit Grundlagen zur Weiterentwicklung von Astrolabien.
Theon von Alexandria (ca. 390) schrieb eine wissenschaft-
liche Abhandlung über das Astrolabium. Synesius von Cyrene
(378-430), ein Schüler von Hypatia und Gatte von Theons
Tochter, hat offensichtlich ein Instrument konstruiert, das
eine Art Astrolabium gewesen sein könnte. Die älteste wirk-
lich gesicherte Beschreibung eines konkreten Astrolabiums
stammt von John Philoponos aus Alexandria im 6. Jahrhun-
dert und ein Jahrhundert später von Severus Sebokht , Bischof
aus Kenneserin, Syrien. Es gibt allerdings Vermutungen, dass
Sebokhts Arbeit von denen Theons beeinlusst wurde. Die
Existenz von Astrolabien im 7. Jahrhundert ist allerdings ge-
sichert.
Arabische Abhandlungen über Astrolabien sind seit dem
9. Jahrhundert bekannt und indizieren eine lange Vertrautheit
mit dem Instrument. Die ältesten heute noch existierenden
Exemplare sind alle arabischen Ursprungs und stammen aus
dem 10. Jahrhundert. Es existieren ferner noch ca. 40 Instru-
mente aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Astrolabien gab es in
unterschiedlichsten Ausprägungen: von relativ einfachen mit
entsprechend eingeschränkten Anwendungsmöglichkeiten bis
hin zu hoch komplexen und künstlerisch wertvoll gestalteten
Exemplaren. Vor allem die persischen Exemplare sind geniale
Kunstwerke von äußerster Präzision.
Der Gebrauch des Astrolabiums kam vermutlich mit dem
Islam über Nordafrika nach Spanien (Andalusien) und somit
nach Europa. Informationen über Astrolabien existierten in
Europa bereits wesentlich früher - vermutlich über den Han-
del auf den Schifffahrtswegen -, aber europäische Anwendun-
gen waren bis zum 13. und 14. Jahrhundert nicht weit verbrei-
tet. Die ältesten Astrolabien, die in Europa benutzt wurden,
waren Importe aus dem moslimischen Spanien. Neben den
original arabischen Inschriften gravierte man zusätzlich latei-
nische Wörter ein. Zum Ende des 12. Jahrhunderts gab es ge-
rade mal ein halbes Dutzend lateinischer Abhandlungen über
Astrolabien. Ein Jahrhundert später hatte sich diese Zahl auf
mehrere Hundert erhöht. Europäische Hersteller erweiterten
die Gravierungen der Platte um astrologische Informationen
und fügten verschiedene Variationen der Zeitmessungen, die
in dieser Ära benutzt wurden, hinzu. Merkmale, die sich auf
Informationen für die islamischen Gebete bezogen, wurden
völlig von den europäischen Astrolabien verbannt.
Astrolabien erreichten in Europa ihre größte Popularität
im 15. und 16. Jahrhundert. Sie waren eines der Grundwerk-
zeuge für die astronomische Ausbildung. Astronomisches
Wissen wurde als fundamental in der Ausbildung angesehen.
Die Fähigkeit, ein Astrolabium benutzen zu können, galt als
Zeichen einer guten Ausbildung und Erziehung.
Ein Standardwerk des ausgehenden Mittelalters (Erstaus-
gabe 1512) ist Johannes Stöflers Buch Elucidatio Ususque
Fabricae Astrolabii (Abhandlung über den Gebrauch und
die Herstellung des Astrolabiums) ( Abb. 4.40 ). Stöfler war
Professor für Mathematik an der Universität Tübingen. Bald
bildeten sich Zentren für die Herstellung von Astrolabien he-
raus. Im 15. Jahrhundert waren dies Augsburg und Nürnberg
sowie einige Produktionsstätten in Frankreich. Im 16. Jahr-
hundert kamen die besten Instrumente aus Louvain in Bel-
gien. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden Astrolabien in ganz
Europa gebaut. Das bevorzugte Material war Messing. Astro-
labien aus Papier wurden nach der Erindung des Buchdrucks
entwickelt. Von ihnen sind nur ein paar erhalten geblieben.
Einige interessante Variationen der Astrolabien, die man
als „universelle Astrolabien“ bezeichnete, wurden im 15.
und 16. Jahrhundert entwickelt. Sie konnten besonders viele
Aufgaben lösen, aber aufgrund der hohen Kosten und der
komplexen Operationen erreichten sie nie die Popularität des
planisphärischen Typs. Eine Ableitung eines Astrolabiums,
bei dem das runde Astrolabium auf einen Quadranten redu-
ziert wurde, ist durch Profat Tibbon aus Montepelior 1288
beschrieben worden. Nur wenige Exemplare dieser Quad-
 
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