Environmental Engineering Reference
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„Die Ökobilanz betrachtet den gesamten Lebensweg eines Produktes, von der Rohstoff-
gewinnung und -erzeugung über die Energieerzeugung und Materialherstellung bis zur
Anwendung, Abfallbehandlung und endgültigen Beseitigung. Durch einen systemati-
schen Überblick und eine Vorausschau kann die Verlagerung einer möglichen Umwelt-
belastung zwischen den Abschnitten oder einzelnen Prozessen des Lebensweges identifi-
ziert und möglicherweise vermieden werden.“
Grundsätzlich unterliegt die Ökobilanz in der heute normativ gefassten Form der Einschrän-
kung, dass soziale und ökonomische Aspekte unberücksichtigt bleiben, die Betrachtung der
Nachhaltigkeit sich demnach auf die ökologischen Aspekte der Produkte beschränkt [105].
Bei der Anwendungen der Methode auf die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe
ergeben sich Besonderheiten. Typischerweise wird der Lebensweg von Produkten nur „von der
Wiege bis zum Grab“ („from cradle to grave“) betrachtet. Die Norm spricht von der Abfallbe-
handlung und der endgültigen Beseitigung, d. h. bis zum Ende des stofflichen Produktlebens.
Gerade Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen bieten jedoch die Möglichkeit einer energe-
tischen Nutzung nach der stofflichen Nutzung. Dies wird als Kaskadennutzung bezeichnet,
siehe Bild 53. Vergleicht man beispielsweise petrochemische Kunststoffe mit Biokunststoffen,
so sollten die Biokunststoffe in erster Näherung eine bessere CO 2 -Bilanz aufweisen, da die
enthaltenen Kohlenstoffatome zuvor von Pflanzen in Form von CO 2 aus der Atmosphäre auf-
genommen worden sind. Diese Betrachtung gilt unter der Annahme, dass zur Herstellung der
Biokunststoffe im Vergleich mit petrochemischen Kunststoffen nicht so viel mehr Energie
aufgewendet werden muss, dass der stoffliche Vorteil durch die Verwendung biogener Kohlen-
stoffatome überkompensiert wird (siehe dazu auch Kap. 2.3 Petrochemische Kunststoffe und
2.4 Biokunststoffe sowie Bild 40 und Bild 43).
Bild 53 Wenn durch wiederholte werkstoffliche Wiederverwendung oder Wiederverwertung die stoffli-
chen Nutzungsmöglichkeiten eines Werkstoffs erschöpft sind, kann eine energetische Nutzung nachgela-
gert werden (Kaskadennutzung) (nach [93], [106]).
Die Betrachtung der Kaskadennutzung (erst stofflich dann energetisch) ist aber nur ein Aus-
schnitt des gesamten Produktlebenszyklus. Im Idealfall erfolgt die Werkstoffnutzung wie im
vorangegangenen Kapitel dargestellt so, dass sich nach der ersten werkstofflichen Nutzung
eine weitere werkstoffliche Nutzung anschließt („from cradle to cradle“, „von der Wiege bis
zur Wiege“). Auch dieser Fall muss in einer Ökobilanz erfassbar sein: Wenn es keine Gewin-
nung bzw. Herstellung von Rohstoffen gibt, weil das Produkt aus den recyclierten Bestandtei-
len eines Produktes nach dessen erstem werkstofflichen Leben besteht, müssen ggf. ökobilan-
zielle Vorteile darstellbar werden.
 
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