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Struktur / Eigenschaften
Casein lässt sich in drei Hauptbestandteile mit den Molmassen 24.800-27.600 g/mol (
-
Casein), 18.000-25.000 g/mol (β-Casein) und 30.000 g/mol (γ-Casein) einteilen, die jeweils
17-18 Aminosäuren enthalten, deren Verhältnis zueinander allerdings schwankt [1]. Die
Hauptbestandteile sind Glutaminsäure (22,4 %), Prolin (11,3 %) und Leucin (9,2 %) [35]. Bei
der Umsetzung mit Formaldehyd reagieren Amidstickstoff-Atome benachbarter Proteinketten
unter Wasserabspaltung und Vernetzung der Proteinketten. Insbesondere bei größeren Schicht-
dicken ist die Trocknung gebildeter Formteile problematisch (siehe Anwendungen ).
α
Anwendungen
Casein kann in vielfältiger Weise als Bindemittel eingesetzt werden. Caseinanstriche, in denen
das Casein als Binder für die Pigmente dient, wurden schon in Höhlenmalereien gefunden.
Wird zusätzlich zum Casein Kalkmilch verwendet, können wasserunlösliche Anstriche erhalten
werden, die auch für Außenwände geeignet sind. Casein als Bindemittel wurde inzwischen
jedoch weitgehend von Bindemitteln auf petrochemischer Basis verdrängt. Auch heute noch
wird Casein als Binder für Pigmente verwendet, wenn die Farbe in Lebensmitteln zum Einsatz
kommen soll oder niedrige organische Emissionen wichtig sind. Beispielsweise können Wurst-
hüllen mit Caseinfarben bedruckt werden oder eine Innenbeschichtung damit ausgeführt wer-
den [83]. Manche Malfarben, die vorzugsweise in Kindergärten oder Schulen zum Einsatz
kommen, basieren auf einer wasserverdünnbaren Casein-Emulsion [84]. Auch Wandfarben für
Wohnräume werden auf Casein-Basis gefertigt, wenn die Verwendung natürlicher Baustoffe
und Emissionsarmut wichtig ist. Für diese Anwendung wird eine Mischung von Milchcasein
mit Sumpfkalk und Celluloseethern eingesetzt [85].
Casein kann ebenfalls als Bindemittel bei der Herstellung von Sperrholz bzw. Holzfaserplatten
verwendet werden, hat dort aber nicht die Bedeutung wie Sojaprotein (Kap. 3.3) oder Weizen-
protein [81], [86]. Weitere Anwendungen sind Papieradditive (zum Leimen und Streichen,
siehe Kap. 4.1.1), zum Imprägnieren von Geweben, in Appreturen und Lederdeckfarben, als
Bestandteil von Linoleum (siehe Kap. 16.4) und als Caseinleim, der unter anderen in der Ge-
tränkeindustrie zum Verkleben der Flaschenetiketten verwendet wird [35]. Auch die Herstel-
lung von Fasern durch Auflösen in Alkalien und Verspinnen in einem Säurebad unter anschlie-
ßender Härtung mit Formaldehyd oder Aluminiumsulfat ist grundsätzlich möglich, die Fasern
sind jedoch sehr wärmeempfindlich [1]. Neuere Verfahren, die sich in der Entwicklung befin-
den, führen unter Verwendung von Plastifizierungsmitteln wie Polysaccharidlösungen, Alko-
holen oder Polyalkoholen zu besseren Eigenschaften der Fasern und einem ökonomischeren
Herstellprozess. Die Caseinfasern können im Textilbereich, in der Medizin oder als Faserver-
stärkung in Verbundwerkstoffen zum Einsatz kommen [87], [88].
Eine breite Verwendung fand Casein in der Vergangenheit in Form eines Biokunststoffs, der
unter einer Vielzahl von Markennamen im Markt erschienen ist [89]. Im deutschsprachigen
Raum dürfte der Markenname Galalith zu den bekanntesten zählen; der Name ist eine Kontrak-
tion aus den Worten für Milch [gr. = galaktikos ] und Stein [gr. = lithos ]. Wegen seiner Mate-
rialeigenschaft wurde der Werkstoff auch als Kunsthorn bezeichnet. Es handelt sich um einen
duroplastischen, also dreidimensional vernetzten Kunststoff, der aus Casein und Formaldehyd
in einer Polykondensationsreaktion gebildet werden kann (siehe Herstellung ). Die Herstellung
dieses Casein-Kunststoffes geht auf das Jahr 1897 zurück, als Wilhelm Krische und Adolf
Spitteler das Patent für Casein-Kunststoff anmeldeten [90]. Hierzu existieren interessante Er-
klärungen zur Entdeckung, die den in der Wissenschaft oftmals aktiven „glücklichen Zufall“
(„serendipity“) bemühen: Die Katze von Adolf Spitteler soll eine Flasche mit Formaldehyd so
 
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