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technologie. Sie erzeugen auch ein neues Verhältnis zur Welt, in der sich plötz-
lich alte Märchen-Motive realisieren können, vom Tischlein-Deck-Dich über die
Siebenmeilenstiefel bis zum Goldesel.
Trotzdem stellt man zuweilen fest, dass dies nicht automatisch und nicht im-
mer ein Fortschritt sein muss. Zum Beispiel sind Architektenzeichnungen heut-
zutage zwar dreidimensional animiert und in Sekunden umzuzeichnen, aber sie
brauchen programmierte und standardisierte Software und sie erscheinen wo-
möglich als „leblos“. Man will doch sehen, wie eine Idee und ein Konzept sich
aufbauen und dabei eingreifen können; man will das subjektiv aushandeln; man
will noch nicht Programmiertes andenken dürfen. Erstaunt wäre man, wenn der
Architekt bekennte, dass er gar nicht mehr Freihandzeichnen kann. Wie weit er
seine Gedanken an das Werkzeug angepasst bzw. unterworfen hat („geht“/ „geht
nicht“), bleibt aber meist unerkannt.
Zu befürchten ist: Wissensproduktion und Politik-Machen passen sich dem
Medium an. Am Ende stehen nur noch 140 Zeichen pro Info-Einheit zur Verfü-
gung ( Twitter -Norm). Laien kooperieren einfach, sie kollaborieren und sind
ansonsten sprachlos. Verantwortlichkeiten werden abgeschoben. Verstehen ist
kein primärer Maßstab mehr für die Qualität einer geistigen Leistung. Wirklich-
keiten werden angepasst an das Werkzeug. Die Wahrnehmung von Wirklichkeit
folgt dieser Anpassung und Konstruktion, nicht mehr der eigenen Zielstellung
und Viabilität. Die Suche nach selbstbestimmten Zielen, Zwecken und Wegen
wird verlernt und am Ende nicht einmal mehr für möglich gehalten.
Das philosophische Schlüsselwort für unser Thema ist „Werkzeug“ (oder
Tool ). Die Menschen unterscheiden sich vom Tier dadurch, dass sie Werkzeuge
haben und entwickeln - so dachte man früher. Aber auch Tiere können Hebel
einsetzen oder zweckmäßige Aktionen ausführen, um an Futter zu kommen;
Affen knacken Nüsse mit Hilfe von Steinen. Es sind das polyvalente Interesse
und die kalkulierte Macht und das kognitive und affektive Bewusstsein, die die
Menschen vom Tier unterscheiden. Menschen können die Ergebnisse ihrer Ar-
beit vorhersehen, sie können zwischen Alternativen wählen, sie können reflektie-
ren. Sie können die Welt nach diesen Möglichkeiten „machen“. Dafür brauchen
sie Werkzeuge, aber sie brauchen ebenso ein Bewusstsein von deren Konstrukti-
on, Funktionsweise und Dinglichkeit. Eine Zange ist immer nur ein Werkzeug
und niemals „intelligent“, eine AlpinCross-Vektorkarte (s. oben) auch nicht. Es
gibt allerdings „Zangen“, die trotzdem so behandelt und freigelassen werden bis
zu einer tatsächlichen Wirkmächtigkeit und Macht über Menschen - wie im
Technik-Thriller „Game Over“ (Kerr 1996), wo ein von Menschen gemachtes
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