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westlich angrenzend lebt (vgl. weiter
unten). Zwar schmücken die Antan-
droy noch immer das steinerne Grab-
gebäude mit den Hörnern der zur Be-
erdigung geschlachteten Zeburinder.
Vor einigen Jahrzehnten haben sie
aber zusätzlich von Königen des Stam-
mes der Mahafaly das Recht gekauft
(!), die Gräber wie diese mit geschnitz-
ten „Alo Alo “ zu verschönern. Früher
mussten die Antandroy diesen hölzer-
nen Grabschmuck bei Künstlern vom
Stamm der Mahafaly kaufen, doch in-
zwischen hat man eigene Holzschnit-
zer, die auch eigene Motive und Orna-
mente entwickeln. Die figürlich darge-
Die Opuntie und das
Schicksal der Antandroy
genannt werden), die Pflanzen selbst wur-
den den Rindern als nährstoff- und wasser-
reiches Fressen gegeben, nachdem sie zu-
nächst abgebrannt wurden, um die Sta-
cheln zu entfernen. Dank der Opuntie bra-
chen goldene Jahrzehnte für den armen,
trockenen Süden an.
Als jedoch zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts Madagaskar (fast) vollständig unter-
worfen war, wollte die Kolonialmacht auch
den letzten widerspenstigen Stamm der
Antandroy besiegen. Da das Vorhaben ge-
gen die entschlossenen Kämpfer mit Waf-
fengewalt allein nicht gelingen wollte, ver-
fiel die Kolonialmacht auf die Idee, wieder
zu nehmen, was man zuvor ins Land ge-
bracht hatte: Es galt, die „Raiketa“ - wie
der Feigenkaktus (Opuntie) in Südmada-
gaskar genannt wurde -, inzwischen die
herausragende Lebensquelle der Menschen
und Rinder im Dornenland, wieder aus-
zulöschen. Aus Mexiko, der Heimat des
Feigenkaktus, besorgte man sich also des-
sen schlimmsten Feind, einen Käfer na-
mens Dactylopius coccus, und setzte ihn
auf die Kakteenwälder der Antandroy an.
Der Effekt war überwältigend. Die Opuntia
vulgaris verschwand in kürzester Zeit, ledig-
lich die dem Käfer nicht genehme, aber we-
niger gut gedeihende Opuntia ficus indica
überlebte. Einige zehntausend Rinder -
und wohl kaum weniger Menschen - ver-
hungerten, verdursteten oder mussten das
trockene Dornenland verlassen. Der Wi-
derstand der Antandroy war - und ist bis
heute - gebrochen; wahrlich ein Ruhmes-
blatt französischer Kolonialgeschichte.
Lange bevor Madagaskar kolonisiert wur-
de, waren La Réunion und Mauritius bereits
Teil des französischen Weltreiches. Auf bei-
den Inseln hatte Frankreich botanische
Gärten angelegt, in denen Nutzpflanzen
gesammelt und gezüchtet wurden, die in
tropischen Weltgegenden gefunden wur-
den; im 17. Jahrhundert war der Besitz von
tropischen Gewürzen noch eine Garantie
für Reichtum. Aus einem dieser Gärten
brachte Ende des 18. Jahrhunderts ein fran-
zösischer Verwalter die in Mexiko heimi-
sche Opuntie (Opuntia vulgaris) nach Süd-
ostmadagaskar, um sie rund um den 1643
errichteten Stützpunkt, das Fort Dauphin,
zu pflanzen. So hoffte man die Festung
besser gegen Angriffe der einheimischen
Bevölkerung schützen zu können. Der Kak-
tus gedieh prächtig, das Klima schien ihm
zu behagen. Dass er in vielerlei Hinsicht
zu gebrauchen war, blieb auch den An-
tandroy im Dornenland nicht verborgen.
Sie sammelten die Kaktusfrüchte in den
Hecken um das Fort ein und aßen sie, sie
pflanzten Opuntien als Schutzwall um ihre
Dörfer und um die Gehege ihrer Rinder-
herden. Dank der Opuntien konnten sich
die Zahl der im trockenen Dornenland le-
benden Menschen und der Rinderbestand
im 18. Jahrhundert stark vergrößern. Die
Kaktusfrüchte ernährten die Menschen
während der trockenen Monate (den Mo-
naten der Hungersnot, wie sie im Süden
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