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zogen französische Hugenotten in die
Stadt, 100 Jahre später folgte eine Mig-
rationswelle von Iren, im 19. Jh. strömten
vor allem Afrikaner und Chinesen in Bri-
tanniens Metropole und ab 1880 dann
Tausende von Juden. Nach dem Zweiten
Weltkrieg entließ England - auf Druck
der erstarkenden nationalen Befreiungs-
bewegungen - immer mehr seiner Kolo-
nien in die Unabhängigkeit. Viele Pakista-
ner, Inder, Zyprer, Ägypter zogen darauf-
hin nach London. In vielen Stadtbezirken
dominiert eine einzelne Bevölkerungs-
gruppe das Straßenbild: Im Süden Lon-
dons, in Brixton, konzentrieren sich die
Jamaikaner, in Notting Hill leben Einwan-
dererfamilien aus Trinidad, in Camden
Town die Zyprer, im East End Bengalen
und in Southall Inder.
Viele dieser Einwanderer gehören zu
den Ärmsten der Armen, sind arbeitslos,
von der staatlichen Sozialfürsorge nur
unzureichend betreut und ohne jede Zu-
kunftsperspektive. Hinzu kommen Ras-
senkonflikte, die sich in spontanen De-
monstrationen entladen, wobei die Poli-
zei solche Artikulationen der Hoffnungs-
losigkeit erbarmungslos unterbindet.
Im Schmelztiegel der Nationen gärt es
heftig!
Sorgen machen sich britische Sozio-
logen seit einiger Zeit über einen neu-
en Rechtsruck und den damit verbunde-
nen Rassismus im Inselreich. Maßgeb-
lich verantwortlich dafür ist die frühere
Regierungschefin Margaret Thatcher, die
propagierte, dass nicht mehr die Gesell-
schaft, sondern nur noch das Individuum
etwas gelte. Dieser Thatcherismus, des-
sen ökonomische Rezepte am Monetaris-
mus ausgerichtet waren, machte nur we-
nige reicher, aber sehr viele wesentlich
ärmer. Die Globalisierung der Wirtschaft
führte dazu, dass die Existenzangst der
Working and Lower Middle Class in Form
von Rechtsradikalität und rassistischer
Gewalttätigkeit ungehemmt ethnische
Minderheiten ins Visier nimmt.
„Der Rassismus ist auf dem Vor-
marsch“, musste das Londoner Maga-
zin New Statesman and Society entsetzt
konstatieren. Dabei waren die Briten -
durch den Kolonialismus geschult - im-
mer stolz darauf, als Schmelztiegel der
Nationen zu gelten. Damit ist es schon
lange vorbei. Untersuchungen ergaben,
dass 10 % aller Briten keine Juden als
Nachbarn haben möchten, 25 % gar wol-
len nicht neben einer farbigen Familie
wohnen.
Schon 1968 krähte der konservative
Unterhausabgeordnete Enoch Powell,
dass „Ströme von Blut“ die Farbigen von
einer Einwanderung abhalten sollten.
Es war dann natürlich Margaret That-
cher, die die Migrationsgesetze erheb-
lich verschärfte.
So verwundert es wahrscheinlich nicht,
dass die Tories nicht einen einzigen farbi-
gen Parlamentsabgeordneten haben. La-
bour ist aber auch nicht viel besser dran:
Bernie Grant, der bekannteste farbige La-
bour-Politiker, klagte darüber, dass aus-
gerechnet seine Partei den Ausschuss
für rassistische Übergriffe schlicht abge-
schafft hat. Grant kann seinen farbigen
Leidensgenossen nicht abraten, wenn
diese darüber nachdenken, das Land zu
verlassen, denn: „Britanniens Politiker
sind immer weniger bereit, unsere Men-
schenrechte zu schützen.“
Dabei waren es die Briten selbst, die zu
Beginn der 1960er-Jahre die Bewohner
ihrer ehemaligen Kolonien drängten, ins
„Gelobte Land“ zu kommen. Die expan-
dierende Nachkriegswirtschaft verlangte
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