Travel Reference
In-Depth Information
lang den gewünschten Geldumlauf nicht
sicherstellen und es fehlte der Bevölke-
rung an Münzen. Um dennoch den Um-
satz aufrechtzuerhalten, prägte der Wirt
vom George lnn sein eigenes Geld und
gab es an die Durstigen weiter. Der wirt-
schaftliche Erfolg war beträchtlich, in der
Taverne floss das Bier in Strömen, wäh-
rend die Konkurrenzunternehmen einer
drohenden Pleite entgegensahen.
Durch die folgende kleine Stichstraße
gelangt man in den Talbot Yard, in dem
sich einst das Tabard lnn befand. Die
diesem Kapitel vorangestellte Szene aus
Chaucers „Canterbury Tales“ hat sich hier
um 1379 zugetragen. Das Tabard war
berühmt für sein gutes Bier und Chaucer
lässt sich den Müller, einen seiner Prota-
gonisten, dafür entschuldigen, dass das
gute Southwark Ale seine Zunge teilwei-
se gelähmt habe. („Der Müller sprach:
Nun leiht mir eure Ohren!/Zunächst je-
doch erklär ich euch ganz offen,/Dass
ich's am Klange hör, ich bin besoffen; /
Drum sollt ich mich versprechen und ver-
sagen,/Bitt ich, das Bier von Southwark
anzuklagen.“) Geoffrey Chaucer war üb-
rigens zusammen mit seinem Zeitgenos-
sen John Gower einer der ersten Litera-
ten, der viele seiner Texte in englischer
Sprache schrieb und sie damit auch dem
einfachen Volk zugänglich machte. In je-
nen Tagen benutzte der Adel das Franzö-
sische und der Klerus veröffentlichte in
der lateinischen Sprache.
Wir kommen nun zum Queen's Head
Yard, der seinen Namen anlässlich der
Krönungsfeierlichkeiten von Elisabeth
I. (1558) erhielt. Im 15. Jh. gehörte das
Anwesen der Familie Poyning. Einer aus
dieser Sippe, Robert, war Schwertträger
und enger Vertrauter des „Aufrührers“
Jack Cade. Vielleicht lag es an seinem
Ratschlag, dass Cade ausgerechnet in
Southwark Quartier nahm. 200 Jahre
später erbte ein gewisser John Harvard
den Gasthof, verkaufte ihn aber alsbald
und wanderte nach Amerika aus: In Mas-
sachusetts gründete er mit dem Geld die
berühmte Harvard University.
Mermaid Court markiert die Stelle, an
der das berüchtigte Marshalsea-Gefäng-
nis stand. Ben Jonson (1573-1637),
ein Zeitgenosse Shakespeares, Schau-
spieler und Autor deftig-derber Volksstü-
cke, saß vom 28. Juli bis zum 8. Okto-
ber 1597 in einer der Zellen. Der Obrig-
keit hatte sein Schauspiel „Isle of Dogs“
nicht sonderlich gefallen. Es soll voller
verführerischer Sentenzen und heftiger
Verleumdung gewesen sein. Leider ist es
nicht erhalten geblieben, sodass wir uns
kein eigenes Urteil bilden können. Mit
Jonson saß Gabriel Spencer, Schauspie-
ler und enger Freund des Dramatikers,
im Marshalsea ein. Das Zusammenle-
ben auf engem Raum förderte nicht ge-
rade die Zuneigung der beiden Männer
und kurz nach ihrer Entlassung töte-
te Jonson Spencer in einem Duell. We-
nige Jahre später konnte der Autor die
„Knasterfahrungen“ intensivieren, dies-
mal hatte man ihn wegen seiner Schul-
den am Wickel. Shakespeare setzte sich
wohl für seine Freilassung ein und dürfte
bei dieser Gelegenheit das Marshalsea
in Augenschein genommen haben. Die
Erfahrung fand ihren Niederschlag in
dem Stück „Heinrich VIII.“. Ende des 18.,
Anfang des 19. Jh. verlegte man das Ge-
fängnis weiter nach Süden und in jenen
Tagen lernte Charles Dickens es ken-
nen. Nach dem Bankrott und der Inhaf-
tierung des Vaters waren die Dickens' in
den 1820er-Jahren nach Southwark ge-
zogen und Klein Charles hatte für den
Search WWH ::




Custom Search