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Kasten 4.7 Die Widmanstätten'schen Figuren
Für manche Eisenmeteorite (Oktaedrite)
charakteristische und praktisch nur dort an-
getroffene Texturen sind die bekannten
Widmanstätten'schen Figuren. Sie werden
auf polierten und mit einer schwachen Sal-
petersäure angeätzten Schnittflächen sicht-
bar und sehen aus wie ein schräg verwobe-
nes Gitter (Abb. 4.22). Benannt wurden sie
nach ihrem Entdecker, dem Grafen Alois
Beckh, Edlem von Widmanstätten ,einemös-
terreichischen Geschäftsmann und Gelehr-
ten des 18. und 19. Jahrhunderts.
Die Bildung dieser Figuren ist relativ kompli-
ziert und benötigt im Fe-Ni-System so lange
Zeiträume, dass sie nicht experimentell simu-
liert (und damit auch nicht gefälscht!) wer-
den kann. Sie entstehen nur, wenn festes Ei-
sen-Nickel-Metall extrem langsam, d.h. über
Millionen von Jahren, entmischt . Bei hohen
Temperaturen über etwa 900°C liegt das Me-
tall nämlich als reiner Taenit vor (Abb. 4.22).
Abhängig vom Nickelgehalt beginnt bei tie-
feren Temperaturen die Entmischung des Ni-
armen Kamazits, was aber im festen Zustand
passiert und daher nur durch langsame Fest-
stoffdiffusion geschehen kann. Nur bei ext-
rem langsamer Abkühlung können große
Kristalle von Kamazit wachsen, die sich ent-
lang der Oktaederflächen des vorherigen Ta-
enit-Kristallgitters anordnen und dann die
Widmanstätten'schen Figuren bilden.
Es bedarf also verschiedener Randbedingun-
gen, um Figuren einer gewissen Mindest-
größe zu erzeugen: extrem langsame Ab-
kühlung und Ni-Gehalte, die einerseits hoch
genug sind, um über ein genügend großes
Temperatur- (und damit Zeit-) Intervall zu
entmischen, aber andererseits niedrig ge-
nug, damit dies nicht erst bei zu tiefen Tem-
peraturen geschieht, bei denen die Diffusion
so langsam ist, dass sie selbst in Milliarden
von Jahren nicht zur Bildung grober Kristalle
führen könnte (s. Abb. 4.22). Nickelgehalte
von unter 6% führen daher zu (figuren-
freien) Hexaedriten, Gehalte zwischen 6 und
9% zu sehr groben Oktaedriten, und weiter
zunehmender Nickelgehalt lässt die Figuren
immer feiner werden.
Da die Diffusion zeit- und temperaturabhän-
gig ist (s. Abschn. 2.3.3.2 und Kasten 2.13),
kann man aus der spezifischen Nickelvertei-
lung zwischen Taenit und Kamazit, also der
Nickelzonierung im Taenit (Abb. 4.22) Ab-
kühlgeschwindigkeiten bestimmen. Diese
liegen für den Temperaturbereich 700 bis
450°C bei ein bis 500 K pro Million Jahre.
Unterhalb 450°C kommt die Ni-Diffusion
weitgehend zum Erliegen (mit der Aus-
nahme komplexer Zerfallsreaktionen, die
aber keine makroskopischen Texturverände-
rungen mehr bewirken), bei schnelleren Ab-
kühlgeschwindigkeiten bilden sich keine
Widmanstätten'schen Figuren mehr.
Die richtigen Abkühlgeschwindigkeiten sind
nur im Inneren von Himmelskörpern be-
stimmter Größe verwirklicht. Nach dem Vor-
gesagten ist es offenbar, dass nicht jeder Ei-
senmeteorit Widmanstätten'sche Figuren
zeigt - das hängt ganz von seiner Zusam-
mensetzung und seiner thermischen Ge-
schichte ab. Der Grund dafür, dass sich die Fi-
guren nicht oder nur höchst selten in metall-
führenden Chondriten bilden, hängt nach
neuen Ergebnissen nicht mit einer anderen
Abkühlgeschichte zusammen, sondern da-
mit, dass Entmischungsvorgänge in kleine-
ren Metallkörnern geringfügig anders ver-
laufen als in großen Eisenmassen - es bildet
sich anscheinend eher einhüllender als la-
mellarer Kamazit.
phose kommt es bei Impaktereignissen, und
nicht nur extraterrestrische Materie kann die
Spuren solcher Einschläge in Form von be-
stimmten Deformationstexturen, Hochdruck-
mineralphasen oder Teilschmelzen tragen, son-
dern auch irdische Gesteine, z. B. aus dem
Nördlinger Ries. Da Meteorite durch Impakte-
reignisse aus ihrem Mutterkörper herausge-
schlagen worden sind, weisen sie nicht selten
Anzeichen von Schockmetamorphose auf.
Diese werden durch die Schockklassen S1-S6
beschrieben, wobei S1 für nicht oder nur sehr
schwach geschockte Meteorite und S6 für die
am schwersten geschockten Meteorite steht.
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