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Bevölkerung ein Trugbild vorgegaukelt, wonah das eigene Gesellshatssystem dem
Klassenfeind überlegen sei. Tatsählih zeugte allein die ualität der sowjetishen
Straßen davon, dass der Weg zum Kommunismus ein langer werden würde, und mit
der Autoindustrie verhielt es sih so: Aufgrund ihrer Rükständigkeit waren die
Sowjets gezwungen, eine alte Fabrik von Fiat zu kaufen und in Togliati wieder
aufzubauen. Die Fiats, die mein Freund sah, waren also das Original, die Shigulis
in seiner Heimat der lizenzierte Nahbau.
Der Eiserne Vorhang und die Propagandamashine in Ost und West haten zu
einem Zerrbild geführt, aufseiten der Sowjets noh mehr als im Westen, wo eine ver-
gleihsweise große Meinungsvielfalt herrshte. Wie spannend also war es für die
Moskauer, sih auf einmal selbst eine Meinung bilden zu können. Sie sogen jede
noh so kleine Information auf wie ein in der Sonne ausgetrokneter Shwamm.
Ausländishe Bekannte wurden herumgereiht wie ein Playboy-Het in der zehnten
Klasse eines katholishen Gymnasiums - ein wenig mit Sheu, vor allem aber mit
Besitzerstolz.
Heute sind Ausländer aus dem Westen in Moskau nihts Besonderes mehr. Mehr
als hundertausend leben ständig in der Stadt, und über dreißig Prozent der
Moskauer waren shon einmal im Ausland. Auf die Idealisierung der Ausländer in
den Neunzigern und der mitunter naiven Übernahme westliher Rezepte folgte nah
der Jahrtausendwende und mit wahsendem Wohlstand ein neuer Blik auf das
Fremde. Realismus ersetzte Faszination, gelegentlih shlug die Bewunderung in
Ablehnung um.
Besonders traf es die Amerikaner. Nah einer Umfrage der Friedrih-Ebert-Stif-
tung haten 1995 gerade neun Prozent der Russen »eine negative Einstellung« zu
den USA, 2002 waren es dann bereits 45 Prozent. Inzwishen hat sih die Zahl noh
einmal deutlih erhöht. Die Moskauer Elite lebt in dem Gefühl, vom Westen wenig
dafür bekommen zu haben, dass die Sowjetunion in den Ahtziger- und Neunziger-
jahren ihr Imperium friedlih aulöste und die ehemaligen Satellitenstaaten des
Warshauer Paktes wie Polen und Bulgarien sogar der Nato beitreten konnten, ja
sogar Republiken der ehemaligen Sowjetunion wie die drei baltishen Staaten
Litauen, Letland und Estland. Umso wütender sind die Russen jetzt - darunter
auh dem Westen freundlih gesonnene, liberale Politiker wie Grigorij Jawlinskij -,
dass der amerikanishe Präsident George W.Bush anstrebte, Georgien und die
Ukraine in die Nato aufzunehmen. Auh sie waren beide Teil der Sowjetunion, in
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