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Mensch, es ist billiger zu leben!
Wie die Moskauer ihre Toten beerdigen,
und warum Boris Jelzin gerade noch einen
Friedhofsplatz bekommen hat
Wenn ih mit meiner Familie den Friedhof des Neu-Jungfrauen-Klosters besuhe,
einen wunderbar malerishen Ruhepunkt inmiten der hektishen Megapolis, sind
meine Söhne Moritz und Max immer ganz aufgeregt. Denn immer wenn die beiden
nah dem Sonntagsspaziergang fünf von zehn Fragen zu Gräbern und Verstorbenen
rihtig beantworten können, werden sie mit einem Restaurantbesuh belohnt, manh-
mal McDonald's, manhmal ein Steakhouse. Natürlih stelle ih die Fragen immer so,
dass spätestens die zehnte den fünten und entsheidenden Punkt bringt. Meine Frau
Marina, eine gebürtige Moskauerin mit großem Kunstsinn, und ih, der ih von der
russishen Hauptstadt seit zwanzig Jahren begeistert bin, können beinahe endlos
Geshihten über die Shritsteller, Shauspieler, Komponisten, Ingenieure und
Politiker erzählen, die hier ihre letzte Ruhestäte fanden.
Allenfalls der Wagankower Friedhof in der Nähe des Zoos kann es an Praht und
Prominenz mit dem Neu-Jungfrauen-Friedhof aufnehmen. Dort ruhen der Dihter
Sergej Jessenin (1895-1925), die Torwartlegende Lew Jashin (1929-1990) und Wladi-
mir Wyssozki (1938-1980), der populärste Liedermaher der Sowjetunion. In seinen
Liedern grif er soziale und politishe Probleme auf. Seine Beerdigung wurde kurz vor
den Moskauer Olympishen Spielen zur größten niht genehmigten Demonstration.
Wenn wir über den Neu-Jungfrauen-Friedhof, den Nowo-Dewitshij, lanieren,
sage ih manhmal halb im Sherz, halb im Ernst, »dass ein ausgiebiger Rundgang
ein Studium der Literaturgeshihte und der neueren Geshihte Russlands und der
Sowjetunion aufwiegen kann«. Denn hier auf dem Neu-Jungfrauen-Friedhof, sind
rund 27000 Menshen beerdigt, und jeder von ihnen war prominent oder Familien-
mitglied eines Prominenten. Ot symbolisieren die Grabdenkmäler Beruf und Shaf-
fen des Verstorbenen. Auf dem Grab des Chirurgen Alexander Bakulew (1890-1967)
hält eine Hand einen roten Stein, der das menshlihe Herz symbolisiert. Die Sänger-
in Klawdija Shulshenko (1906-1984) wird mit der Stilisierung eines blauen Tuhes
geehrt, das sie in der Hand hält - der Titel ihres populärsten Liedes.
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