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sind die Kosmopoliten in der Überzahl. Die Patrioten können sih in der »Kiewer
Rus« oder im »Fürstensee« niederlassen, die Naturfreunde im »Wiesengrund«.
Rund zwei Millionen Datshen gibt es im Umland der Hauptstadt. Außer im
Winter nutzen die Moskauer jeden freien Tag, um die Stadt zu verlassen. Shon An-
ton Tshehow (1860-1904) hielt fest: »Jeden Sommer ziehen die Moskauer auf die
Datshen. Sie fasten für ihre Taille, bangen vor dem Sonnenbrand und warten. Die
Papis geben gelassen Geld aus, die Mamis biten Bekannte, ihnen diesen jungen
Mann vorzustellen.«
Obwohl 75 Prozent der Einwohner Russlands in Städten wohnen, sind die Russen
ein Landvolk geblieben. Vor der Oktoberrevolution 1917 lebten gerade siebzehn
Prozent in Städten. Bis heute nehmen Moskauer ot mehrstündige Anfahrten mit
dem Auto oder der »Elektritshka«, der S-Bahn, in Kauf, um mit eigenen Händen
Gurken und Tomaten ziehen und sih in frisher Lut entspannen zu können.
Eingelegtes Sauerkraut oder Salzgurken entlasten zudem das Budget der ärmeren
Familien. In manhen Familien verbringen die Müter oder Großmüter den ganzen
Sommer mit niht shulplihtigen Kindern auf der Datsha, zumal die Sommerferi-
en hier beinahe drei Monate dauern. Weil Marina und ih viel arbeiten, mieten wir
keine Datsha. Umso lieber aber besuhen wir an einem warmen Wohenende Fre-
unde auf deren Datshen. Auh für unsere beiden Söhne ist das stets ein Fest. Dann
können sie mit anderen Kindern durh die Wälder streifen und manhmal indet
sih ein kundiger Nahbar, der ihnen erklärt, wie man Fishe im nahen Flüsshen
fängt oder Pilze sammelt.
Auh für mih können ein paar Tage auf einer Datsha den Erholungswert eines
Fünfsternehotels in der Karibik aufwiegen: Shashlik grillen, Tee aus dem
Samowar trinken, ein Buh lesen, dem Sonnenuntergang zushauen. Und dann sin-
gen wir das russishe Volkslied, dessen Titel in der deutshen Übersetzung niht
»Moskauer Nähte«, sondern »Moskauer Vorstadtnähte« heißen müsste: »Im
Garten sind alle Geräushe verstummt, alles hier steht still bis zum Morgen. Das
Flüsshen ließt, bewegungslos, ganz aus mondbeglänzten Silber. Ein Lied ist zu
hören und niht zu hören in diesen stillen Nähten. Wenn ihr bloß wüsstet, wie ih
sie liebe, diese Nähte in der Moskauer Vorstadt.«
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