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aufwendige spätgotische Architektur
wurde, noch bevor das große Geld im
Tuchhandel verdient wurde, durch die
finanzielle Unterstützung der Herzöge
der Bretagne ermöglicht. Dem heute
etwas stumpf erscheinenden Glocken-
turm fehlt die ehemals außergewöhn-
lich hohe Spitze, die nach wiederhol-
ter Zerstörung durch Blitze im 18. und
19. Jh. schließlich nicht wieder aufge-
baut wurde.
Rechts an die Kirche herangesetzt
wurde im frühen 16. Jh. die Chapelle
du Pénity, die das geradezu drama-
tisch gebaute Grab von Saint Ronan
beherbergt. Von sechs etwa lebens-
großen Engeln getragen, liegt das
Hochrelief des heiligen Missionars,
der mit seinem Bischofsstab in der lin-
ken ein Ungeheuer tötet, während er
mit seiner rechten Hand die unter ihm
knieenden Pilger segnet. Tatsächlich
war Saint Ronan wohl in seinem irdi-
schen Dasein alles andere als zimper-
lich, wie verschiedene Legenden über
ihn berichten. Seine sterblichen Über-
reste sind in einem Reliquienschrein
aufbewahrt, der sich auf dem Kapel-
lenaltar befindet.
Alle sechs Jahre findet am 2. und 3.
Sonntag im Juli eines der bedeutungs-
vollsten Pardons der Bretagne hier in
Locronan statt: La Grande Troménie
(bret. tro-minihy; frz. le tour de la mon-
tagne; der Gang um den Berg). Seit
dem 11. Jh. wird dieser Wallfahrtsgang
von 12 km Länge um den Montagne
de Locronan östlich des Ortes abge-
schritten, wobei an 12 festgelegten
Gebetspunkten aus dem Evangelium
gelesen wird. Dass sich auch in der tra-
ditionell so verwurzelten Bretagne die
Sitten langsam ändern, zeigt sich zum
Beispiel daran, dass das noch im 19.
Jahrhundert bestehende Verbot,
während des Pardons außer zum Ge-
bet zu sprechen, heute nicht mehr be-
achtet wird. Doch immer noch gilt die
Drohung, dass jeder gläubige Bretone,
der nicht zu seinen Lebzeiten minde-
stens einmal die Troménie mitgemacht
hat, diese im Tode unter Qualen nach-
holen muss, denn dann muss er sich
mit der Geschwindigkeit einer Sar-
glänge pro Tag über die 12 km schlep-
pen. Aber wie so oft gibt es auch hier
eine Hintertür: Statt einmal an der
großen Troménie teilzunehmen, ist es
möglich, die Erlösung zu finden, in-
dem man sich dreimal an der jährlich
stattfindenden kleinen Troménie be-
teiligt. Die 4 km lange Kurzfassung des
Pardon findet ebenfalls am 2. Sonntag
im Juli statt. Die Tradition geht auf die
Gewohnheiten von Saint Ronan selbst
zurück, der, wie es heißt, den Tag mit
einem Meditationsgang durch den
Wald von Nevet begann. Sonntags
wählte er die 12 km lange Runde um
den Berg, der heute seinen Namen
trägt.
Die allermeisten Besucher des Ortes
kommen allerdings weniger aus reli-
giösen Motiven. Vielmehr interessie-
ren sie sich für die Kunsthandwerks-
läden, Ateliers und Gemäldeausstel-
lungen in rustikalen Gemäuern. Viele
Läden haben sich auf kunsthandwerk-
liche Webwaren spezialisiert und ha-
ben einen ähnlichen Verkaufserfolg
wie vor 250 Jahren die französische
Ostindienkompagnie mit ihrer Ver-
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