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muss über Duh nahdenken. Seine Antworten zeigen eine entsetzlihe Ehrlihkeit -
wenn er einen Vorwurf bestreitet, liefert er selten ein Argument, das ihn moralish
entlastet. Auf den Vorwurf, Gefangene seien mit Plastiktüten erstikt worden, er-
widert er shliht, das stimme niht, sie häten keine Tüten gehabt. Auf den Vor-
wurf, Kinder seien von den Balkonen der Gebäude in den Hof der Anlage geworfen
worden, sagt er, dies häte gegen das Gebot der Geheimhaltung verstoßen, denn es
häte die Anlage als Folterstäte entarnt. Niemals bestreitet er den grausamen
Zwek der Anlage, die Zahl der Toten oder seine direkte Verantwortung für die
Morde. Mehrmals während des Verfahrens sagt er, er hasse Lügen. An einem
Prozesstag kommt es zu einer absurden Situation, als ein ehemaliger Wähter der
Anlage als Zeuge gehört wird. Um sih selbst zu shützen behauptet er plump und
stur, in S-21 sei niht gefoltert worden, es häte keine Folter gegeben und die Gefan-
genen häten ausreihend zu essen gehabt. Bis Duh plötzlih das Verfahren unbe-
herrsht unterbriht und den ehemaligen Wähter von der Seite her anherrsht: Er
solle aufhören zu lügen.
Einmal bekam Duh von einem Vorgesetzten neu entwikelte Tableten, die er an
den Gefangenen ausprobieren sollte. Er wusste, dass sie dabei sterben könnten. Da-
her taushte er die Tableten vor dem Experiment gegen harmloses Paracetamol aus,
um die Gefangenen zu shützen. Nah seiner Wertvorstellung war dieser spezielle
Autrag unmoralish, da er niht der Bestrafung von Shuldigen diente. Keine mor-
alishen Einwände hate er hingegen, als die gleihen Gefangenen, die er eben noh
geshützt hate, auf den »Killing Fields« getötet wurden - es entsprah dem Ablauf
seines Gefängnisses, und da alle Insassen »Shuldige« waren, waren die Hinrih-
tungen für ihn moralish zu rehtfertigen.
Duh ist niht das, wofür ih ihn bisher gehalten habe: ein amoralishes Monster.
Im Gegenteil. Er ist ein Mensh, der übertrieben moralish ist - geradezu pedanti-
sh. Für ihn sheint Moral etwas zu sein, das keine Subjektivität zulässt, etwas, das
von der Gesellshat beshlossen wird und dann niht hinterfragt werden darf: Mor-
al ist, wenn sih alle an die Regeln halten. Als sei die Gesellshat eine mathemat-
ishe Operation und die Moral deren Syntax - und er selbst nur eine kleine Num-
mer, die ihre Pliht erfüllen muss. Und war so niht das gesamte Projekt der Khmer
Rouge? Sie wollten die Bauern befreien. Doh tatsählih war ihr Projekt grausam
intellektuell, voller akademisher Naivität: Der Versuh, eine Gesellshat zu kreier-
en, die so errehenbar ist wie eine mathematishe Gleihung.
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