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Wie das Leben hier so ist
Jedes Jahr im Winter liege ih mit meiner Familie nah Deutshland, um meine El-
tern in Darmstadt zu besuhen. Das ist auh die Zeit, in der ih alte Freunde wieder-
trefe. Mit denen sitze ih dann in derselben Kneipe, in der wir einst unseren ersten
Liebeskummer ertränkt haben. Und wenn wir genug über alte Zeiten gesprohen
haben, kommt immer diese Frage: »Wie ist denn das Leben so bei euh in Kambod-
sha? Erzähl doh mal!«
Mir fällt nie die rihtige Antwort ein.
Meistens versuhe ih, einen für unsere Familie typishen Tag zu beshreiben:
»Also, wir stehen unter der Wohe so um sieben Uhr auf. Dann bringe ih Rothana,
unsere Tohter, in die Shule. Danah setze ih mih an mein Laptop, lese erst mal die
Website des ›Spiegel‹ und versuhe, in den Tag hineinzukommen. Irgendwann waht
Lukas auf, unser zweijähriger Sohn. Er muss dann erst mal zehn Minuten heulen,
weil Aufwahen so unfair ist; dann ziehe ih ihn an und putze ihm die Zähne. So um
neun mahe ih mih shließlih an die Arbeit.« Ih bin in meiner Ausführung noh
niht mal beim Mitagessen angelangt, und meine Gesprähspartner haben shon das
Interesse verloren. Sie sind entäusht, ofensihtlih habe ih die falshe Antwort
geben. Und sie haben ja auh reht. Zwar mahen wir als Familie dieselben Dinge,
die auh eine Familie in Deutshland maht. Trotzdem ist unser Leben ganz anders -
aber ih weiß niht, wie ih es erklären soll.
Daher wehsele ih meist shnell das Gesprähsthema und rede niht mehr über
Kambodsha, sondern über Fußball. Oder Dieter Bohlen.
Wie soll ih nur erklären, wie das Leben hier so ist?
Ih versuhe mal was anderes.
Hier in Kambodsha ist das Leben so, also häte jemand dem Fluss der Zeit ein Kon-
trastmittel untergemisht: Alle Eindrüke, gute wie shlehte, werden verstärkt. In
Deutshland ist das Leben eine Abfolge von durhshnitlihen Tagen: Man ist selten
wirklih unglüklih und genauso selten rihtig glüklih - alle Tage sind mitel.
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