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Hier gibt es in der Regel nur außerordentlih gute oder rihtig shlehte Tage, und
wenig dazwishen. An den guten Tagen ist die Morgenlut kühl und feuht. Die
Sonne tauht die Stadt in ein gold-gelbes Liht. Alles, was ih sehe, sheint mir neu
und überrashend. Die Spuren, die der Regen auf einer verwiterten Hauswand hin-
terlassen hat. Das zahnlose Läheln einer Frau, deren Haut wie ausgetroknete Erde
ist. Der Bougainvilleabush, der auf dem Balkon einer verfallenen Kolonialzeit-Villa
wähst. Jeden Augenblik möhte ih in Öl und auf Leinwand festhalten. Hölihe
Neugierde überall, jeder hat Zeit für ein kurzes Gespräh. Wenn man wollte, könnte
man sih auf einem kurzen Spaziergang sehs Mal neu verlieben. Der Verkehr
sheint sih auf eine wunderbare Weise selbst zu regeln, als stünden sämtlihe Teil-
nehmer in telepathisher Verbindung zueinander. Ein Beinahezusammenstoß wird
mit einem Läheln und einem Ahselzuken beantwortet.
Und dann sind da die shlehten Tage. Die Sonne sheint die Stadt in Brand set-
zen zu wollen. Das grelle Liht entblößt shonungslos, wie unansehnlih und drekig
die Straßen sind. Der Gestank der Kanalisation und der Abgase nimmt mir den
Atem. Der Verkehr stokt, jeder versuht rüksihtslos, so shnell voranzukommen
wie möglih, jeder stößt in die kleinste Lüke - und als Resultat kommt niemand
ans Ziel, alle stehen und erstiken an den eigenen Abgasen. An diesen Tagen gibt es
keine Freunde in der Stadt, nur Herumtreiber und Shmarotzer. Alle beobahten
mih, ih spüre ihre Blike, sie hofen auf einen shnellen Dollar, sie sind berehn-
end, ih muss auf der Hut sein.
Außerdem wohne ih niht unbedingt in einer Gegend, in die man zieht, weil die
Karrierehancen hier so gut wären oder weil sih das Wort »Kambodsha« gut in
einem Lebenslauf maht. Menshen kommen aus dem Westen hierher, weil sie etwas
suhen. Weil sie sih selbst neu erinden wollen. Es ist der rihtige Ort dafür. In der
»Unendlihen Geshihte« von Mihael Ende gibt es ein Kapitel, in dem ein Zauber-
Spiegel-Tor vorkommt. Wer in dieses Spiegeltor blikt, der sieht sih selbst - niht
das Äußere, sondern sein wahres Ih. Und das wahre Ih soll in der »Unendlihen
Geshihte« so shreklih sein, dass man beim Anblik wahnsinnig wird. Kambod-
sha ist ein bisshen wie dieses Zauber-Spiegel-Tor. Visitenkarten, Titel, Posten,
Lebensläufe, Markenkleidung, politishe Meinungen und Facebook-Freundshaten,
all diese kleinen Dingen, die man in Deutshland zusammengetragen hat, um je-
mand zu sein, sind hier absolut bedeutungslos. Es interessiert einfah niemanden.
Wenn man in Deutshland einen neuen Menshen kennenlernt, fragt man ihn in der
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