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legten wir ihre Überreste in eine goldene Urne und stellten diese in das phum
prasat, das kleine Geisterhäushen am Eingang zu dem Stükhen Land der Familie.
Das war, ofen gesagt, eine Notlösung. Eigentlih sollte man die Ashe in eine
ceidi, also in einen gemauerten Shrein legen, der einer Stupa ähnelt und entweder
auf dem Gelände der Pagode oder auf dem eigenen Land steht - doh dafür fehlte
uns das Geld. Viele Leute, die kein eigenes Land haben, stellten die ceidi in der Pa-
gode in jenen Spalt zwishen der großen Buddhastatue und der Rükwand, aber das
wollten wir niht. Auf keinen Fall darf man die Ashe einfah im Haus in einem
Shrank aufbewahren. Dem Glauben der Kambodshaner zufolge gibt es nah dem
Tod eine Übergangszeit bis zur Reinkarnation, in der der Tote noh niht verstanden
hat, dass er verstorben ist - und wenn man ihn weiter im Haus wohnen lässt, wird
er ewig dort herumgeistern. In unserem Fall war auh das Geisterhäushen selbst
ein Provisorium, wir haten es shnell aus einigen Sperrholzbrethen und Aststük-
en zusammengenagelt, als wir das Land gekaut haten - es war niht mehr als ein
ärmlihes Vogelhäushen, vor dem eine mit Sand gefüllte Kafeemilhdose stand, in
der ein paar Räuherstäbhen qualmten. Ih wünshte, ih könnte etwas anderes
sagen, aber als die Shwiegermuter siher im Vogelhäushen untergebraht war,
mahte sih eine gewisse Erleihterung breit.
Bis zu der Hundert-Tage-Feier, dem Tag, an dem sie zurükkehrte. Es war natür-
lih nahts. Die Mönhe waren bereits gegangen, und wir saßen unter dem Stelzen-
haus mit einigen Nahbarn zusammen und aßen und tranken. Auf einmal begann
Cheamney, die jüngere Shwester meiner Frau, sih eigentümlih zu benehmen. Sie
zündete sih eine Zigarete an, obwohl sie eigentlih niht rauhte. Dann redete sie
ältere Nahbarn mit kon an, was übersetzt »mein Kind« bedeutet. Dann goss sie
sih einen Shnaps ein und begann, auf einigen Plastikeimern den Rhythmus eines
Shlagers aus den Sehzigerjahren zu trommeln, den Cheamney eigentlih gar niht
kennen konnte. »Musik«, rief sie. »Was ist eine Feier ohne Musik?«
Inzwishen waren alle längst vor Angst erstarrt, während ih ratlos von einem
zum anderen blikte, ahnungslos, was hier vor sih ging. Cheamney rihtete den
Finger auf meine Frau. Niemand habe den humneang pteah, den Shutzgeist des
Landes, sozusagen der Hauptmieter des Geisterhäushens, um Erlaubnis gefragt, ob
sie ebenfalls dort einziehen dürfe, sagte sie. Und daher habe sie die letzten hundert
Tage damit verbraht, auf dem Land herumzuirren. »Glaubt ihr, dass das Spaß
maht?« Sie sprah in einem derart vorwurfsvollen Ton, dass auh ih sofort
überzeugt war, dass es ihre Muter sei, die sih da beshwerte.
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