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Man konnte einen Imam oder eine muslimishe Frau ausleihen und mit ihnen Kaf-
fee trinken gehen. Sollten die gerade verliehen sein, standen noh eine Sinto-Frau,
ein Jude, ein Transvestit, eine Feministin, ein Obdahloser, eine Dänin und eine
Lesbe zur Verfügung. Der Slogan der Aktion lautete: »Rede niht über dein Vorur-
teil - trif es und werde es los.« 45 Minuten dauerte die Leihzeit, »gelesen« wurde in
einem persönlihen Gespräh, dann musste das Buh zurükgegeben werden; ohne
Eselsohren. Am Ende dieser Gesprähe stellte sih heraus, dass niht alle Sinti in
Wohnwagen leben, niht alle Moslems islamistish sind, dass die Dänin genauso
tikt wie ihre shwedishen Nahbarn und dass Lesben tatsählih Sex habe. »Sei du
selbst. Jeder andere ist shon vergeben«, rät Sara/Claes Lund, ein verheirateter
Transvestit aus Malmö, allen, die ihn ausleihen. Und Norén nahm sih vor, beim
nähsten Mal auh eine Bibliothekarin zu verleihen: Da gäbe es ebenfalls noh Vor-
urteile abzubauen.
Malmö hat viel aufzuholen. Nah der Wertenkrise in den 1970er-Jahren ging es
mit dem einstigen Zentrum der Shwerindustrie bergab. Bis in die Neunzigerjahre
hinein sah man überall verfallene Häuser. Ganze Straßenzüge standen leer, die
Arbeitslosigkeit wuhs. Anwohner zogen weg. Die Kokums-Wert, ehemals eine der
größten der Welt, rotete vor sih hin. Kokum hate Fahrzeuge, Eisenbahnwaggons
und Brüken hergestellt, auf der Wert wurden Frahtshife und U-Boote gebaut.
Mit dem Niedergang wehselte das Unternehmen mehrmals den Besitzer. Seit 2005
gehört es zu hyssenKrupp Marine Systems und spezialisiert sih auf die Herstel-
lung von Militärfahrzeugen und Unterwassertehnologie.
Als der Sozialdemokrat Ilmar Reepalu zum Bürgermeister gewählt wurde, hate
die Stadt nihts mehr zu verlieren. Also setzte man alles auf eine Vision: radikale
Umgestaltung. Man war die sterbende Stadt Shwedens und wollte die fortshrit-
lihste werden. Mit einer Verjüngungskur durh die Eröfnung der Universität
Malmö 1998 wurde die Industriebrahe zum hippen Plaster. In einstigen Wursthül-
lenfabriken öfneten coole Bars. Wo einmal Shornsteine rauhten, entstanden
Skaterparks und Performance-Studios. Eine alternative Kunstszene brahte neue
Ideen hervor. Die berühmtesten shwedishen Comicautorinnen kommen heute aus
Malmö, sie mahten den Comic zu einer der derzeit angesagtesten und radikalsten
gesellshatskritishen Kunstformen. Die Universität hat es allerdings shwer, eine
Eigenständigkeit zu entwikeln; zu nah ist Lund - eine der ältesten
Universitätsstädte Shwedens.
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