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V. Teilung und Internationalisierung
1922-2012
Der Begriff der Nation kann als Leitbegriff für die Darstellung der irischen Geschichte im
20. Jahrhundert dienen, denn seit 1921/22 ist die Insel eine geteilte Nation. Er steht damit auch
für Jahrzehnte der Gewalt in Nordirland und den modernen Friedensprozess, für den langen
Schatten der Vergangenheit und die Hoffnung auf eine Zukunft jenseits des Nationalstaats.
Gewalt als Grundmotiv
Als der Bürgerkrieg im Mai 1923 zu Ende ging, hatte die Teilung in den Irish Free State
im Süden und den britisch verbliebenen Norden eine neue Qualität der politischen Gewalt
ausgelöst. Als wesentliches Dilemma kristallisierte sich der fehlende Schutz der religiösen und
politischen Minderheiten heraus. Der Gewalt ausgesetzt, griffen sie selber zum Terrorismus als
Mittel der Politik. Die Militarisierung schritt unaufhaltsam voran, obwohl der
Aussöhnungsversuch vorsah, dass der Freistaat wie auch Ulster nach britischem Vorbild jeweils
ein eigenes Zweikammerparlament erhalten würden, Irland zudem 46 Abgeordnete nach
Westminister entsenden und der englische Monarch Staatsoberhaupt von ganz Irland bleiben
sollte.
Der Norden nahm das Modell an. Der Süden hingegen besaß in dem 1919 geschaffenen
Dáil Éireann bereits ein eigenes Parlament und erhoffte sich einen Status im Commonwealth, wie
ihn Kanada und Australien besaßen. 1931 gewährte ein Londoner Gesetz allen Dominions
weitgehende Autonomie, doch davon war Irland in den 1920er Jahren noch weit entfernt. Ein
Stein des Anstoßes für die katholischen Nationalisten war der Loyalitätseid auf die britische
Krone.
Die Gewalt war mit dem Ende des Bürgerkriegs zwar kurzzeitig gebündelt, zugleich aber
durch die Teilung auch verstetigt. In Belfast wurden katholische Werftarbeiter zu Tausenden
entlassen. Die Protestanten wiederum konnten sich nicht in einen Staat fügen, der seine
Identifikation vornehmlich aus dem Kampf um Unabhängigkeit, dem Katholizismus sowie der
Wiederbelebung der gälischen Tradition und Kultur bezog. In vielen Aspekten, etwa mit Blick
auf die politische Gewalt im Faschismus der 1930er Jahre, war die Entwicklung in Irland mit der
im übrigen Europa vergleichbar. Auch hier verbreiteten sich der Ultranationalismus und Formen
des Terrorismus, wie man sie in anderen Ländern kannte. In dieser Hinsicht war Irland fest
eingebettet in die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Eigenwege des Südens
Die gälischen Traditionsbestände nach Jahrhunderten der Marginalisierung und der
kulturellen Anglisierung wiederzuerwecken, war die Aufgabe von Dichtern und Gelehrten. Nach
dem Vorbild James Macphersons, der im 18. Jahrhundert schottische Lieder gesammelt hatte,
setzten sich die 1877 ins Leben gerufene Society for the Preservation of the Irish Language und
besonders die Gaelic League das Ziel, aus der eigenständigen gälischen Vergangenheit eine
irische Identität zu formen. 1925 machte die Gaeltacht Commission die Regionen Irlands
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