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Der Untergang der Estonia
In einer stürmischen Nacht vom 27. auf
den 28. September 1994 ging das estni-
sche Fährschiff „M/S Estonia“, das zwi-
schen dem estnischen Tallinn und dem
schwedischen Stockholm verkehrte, vor
der Südküste Finnlands unter. Bei dem
schwersten Schiffsunglück der europäi-
schen Nachkriegsgeschichte wurden min-
destens 852 Passagiere und Besatzungs-
mitglieder in den Tod gerissen, lediglich
137 Menschen überlebten. Die genaue An-
zahl der Schiffsinsassen konnte bis heute
nicht geklärt werden, da zum damaligen
Zeitpunkt keine Passagierlisten geführt
wurden. Die meisten Opfer stammten aus
Schweden und Estland, aber auch mindes-
tens fünf Deutsche starben in den Fluten
der Ostsee.
Ebenfalls unklar ist die Ursache der
Tragödie. Aus ungeklärten Gründen öffnete
sich die Bugklappe der Fähre, sodass der
Innenraum voll Wasser lief. Aussagen über-
lebender Crewmitglieder zufolge sollen ers-
te Schwierigkeiten kurz nach Mitternacht
aufgetreten sein, etwa fünf Stunden, nach-
dem die Estonia den Tallinner Hafen verlas-
sen hatte. Etwa eine Stunde später wurde
per Funk der erste Notruf gesendet, bevor
die Passagierfähre 30 Minuten später von
den Radarschirmen verschwand. Als das
erste Rettungsschiff etwa eine Stunde nach
dem Untergang am Unglücksort eintraf,
war es aufgrund der schlechten Wetterver-
hältnisse schwierig, Überlebende aus den
Fluten zu bergen. Da die Wassertempera-
tur nur 13 °C betrug, kam die Hilfe für die
meisten Menschen zu spät, sie starben an
Unterkühlung.
Kurz nach dem Unglück beauftragten
die betroffenen Länder Estland, Schweden
und Finnland eine Untersuchungskom-
mission, deren Abschlussbericht erst 1997
vorlag. Demnach hätten Konstruktions-
mängel den Untergang der Estonia verur-
sacht. Dieser Bericht ist allerdings nicht nur
von der Werft, die das Schiff 1980 gebaut
hatte, sondern auch von internationalen Ex-
perten, Medien und Zeugen angezweifelt
worden. Lückenhafte Ermittlungen, Schlam-
perei oder gar bewusste Verfälschung
werden der Havariekommission vorgewor-
fen. Ein von der Werft beauftragtes Exper-
tenteam, das u.a. Überlebende befragte,
kam zu dem Ergebnis, dass es eine Explo-
sion an Bord gegeben habe, und vermutet
einen Sprengstoffanschlag. Dubiose Lö-
cher im Schiffsrumpf und ein später wieder
verschwundenes Päckchen auf den Auf-
nahmen von Tauchern sollten dies angeb-
lich belegen.
Welche Version die richtige ist oder ob
die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt,
konnte bis heute nicht geklärt werden. Ver-
suche der schwedischen Regierung, das
Wrack mit einem Betonmantel zu umhüllen
- was Angehörige der Opfer verhindern
konnten - und Berichte über Überlebende,
die später spurlos verschwunden sein
sollen, lassen das Rätsel um den Unter-
gang der Estonia immer verworrener er-
scheinen. In jüngster Zeit leitete man neue
Untersuchungen ein. Es ist zu erwarten,
dass demnächst brisante Einzelheiten ans
Tageslicht kommen.
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