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Die Volksgruppe der Seto
Eine mittlerweile über die Landesgrenzen
bekannte und in vielerlei Hinsicht kulturell
eigenständige Volksgruppe in Estland sind
die Seto, die auch unter dem Begriff Setu
oder im Deutschen Setokesen/Setukesen
bekannt sind. Da sich die Gruppe selbst
„Seto“ nennt, wird dieser Ausdruck hier
übernommen. Es gibt immer wieder Dis-
kussionen unter Linguisten wie auch unter
Esten und Seto, ob ihre Sprache nun eine
eigene ist oder ob es sich um einen südest-
nischen Dialekt handelt. Sie ist mit dem
südestnischen Võru-Dialekt (Võrumaa ist
ein südestnischer Landkreis) nah verwandt,
einige Wörter kommen wiederum aus dem
Russischen.
Der estnische Staat betrachtet die Seto
als Gruppe, die sich kulturell von den Esten
unterscheidet, aber nicht als Minderheit.
Deshalb ist auch ihre Zahl nicht genau aus-
zumachen. 1934 sollen ca. 15.000 Seto re-
gistriert worden sein, heißt es in der „Sow-
jet-estnischen Enzyklopädie“. Als diese im
Jahr 1975 erschien, sollen es nur noch
6.780 gewesen sein. Später gab es keine
genauen Zahlenangaben mehr. Heute geht
man von etwa 8000 Personen aus.
Auch die Herkunft der Seto ist nicht voll-
ständig geklärt. Sind sie ein eigenständiger
finno-ugrischer Stamm oder eine archai-
sche estnische Volksgruppe? Ähnlich wie
die Frage nach der Sprache ist auch diese
Einordnung unter Forschern umstritten.
Erstmals schriftlich erwähnt wurden die Se-
to unter dem Begriff „Pleskauer Esten“
1861 in der Zeitschrift „Inland“.
Fest steht jedoch, dass die Religionszu-
gehörigkeit ein Unterscheidungskriterium
zur estnischen Bevölkerung ist. Während
die Esten in Alt-Livland vom Deutschen Or-
den christianisiert wurden und sich später
nach dem Sieg der Reformation dem luthe-
rischen Glauben zugehörig fühlten, nah-
men die Seto, die bereits im 6. Jahrhundert
christianisiert wurden, im 10.-13. Jahrhun-
dert, als sie dem Fürstentum Pskov ange-
hörten, den russisch-orthodoxen Glauben
an. Jedoch spielen auch vorchristliche Ele-
mente in ihrer Kultur eine Rolle, weshalb sie
von Russen oft als „Halbgläubige“ bezeich-
net wurden.
Bis 1920 war das Gebiet der Seto Teil
verschiedener Staaten, dann wurde es im
Frieden von Tartu 1920 dem unabhängig
gewordenen Estland zugeteilt und trug den
Namen Setomaa oder Petserimaa. Nach
der Zwangsintegration Estlands in die Sow-
jetunion revidierte diese jedoch die Ge-
bietseinteilung und zog eine innersowjeti-
sche Verwaltungsgrenze quer durch Seto-
maa. Zu Sowjetzeiten war dieser Schritt in
der Praxis folgenlos, doch mit der Unab-
hängigkeit Estlands 1991 ergaben sich für
die Seto große Probleme: Heute geht
durch ihr Gebiet, das etwa 50 Kilometer
breit und 80 Kilometer lang ist und gleich
hinter Räpina beginnt, die estnisch-russi-
sche und somit auch die EU-Außengrenze.
Wenngleich nach Schätzungen eines Se-
to-Forschers heute nur noch rund 500 Seto
auf russischer Seite leben, ist für die Volks-
gruppe die Teilung gravierend, nicht nur in
wirtschaftlicher Hinsicht. Der Entschluss,
nach Estland überzusiedeln, bedeutete für
die russischen Seto die Aufgabe ihrer Häu-
ser. Außerdem befindet sich das kulturelle
und religiöse Zentrum der Seto, das Klos-
ter von Petseri (Pečory), auf russischer Sei-
te und ist ohne Visum für estnische Seto
Tracht und Schmuck der Seto
 
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