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ligtum, sondern auch einer der vier weltweit bedeutendsten Wallfahrtsor-
te der Katholischen Kirche. Obwohl viele der heute 20- bis 30-Jährigen
wenig über die Geschichte der Ära Salazar wissen, sind die psychischen
Traumata der Eltern präsent. „Der Salazarismus war eine Krankheit, die
das portugiesische Volk in die Knie zwang und am Boden zerstört zurück-
ließ. Eine Krankheit des Geistes (und des Körpers)“, schreibt der Soziologe
José Gil in seinem (leider nur auf Portugiesisch erhältlichen) Buch „Portu-
gal hoje, o Medo de Existir“, übersetzt heißt das „Portugal heute, die
Angst zu existieren“.
Mythos „saudade“ - Sehnsucht mit Ansteckungspotenzial
Man sagt den Portugiesen nach, sie seien rückwärtsgewandt und schick-
salsergeben: É assim a vida! - „ So ist das Leben!“ Sogar die Acht-Uhr-
Nachrichten im Fernsehen werden mit diesem viel gehörten, fatalistischen
Spruch beendet .
Natürlich gibt es nicht nur mit dem Schicksal hadernde Portugiesen,
sondern sehr wohl auch viele tatkräftige, positiv denkende junge Men-
schen mit Visionen. Häufig sind dies erfolgreiche Leute, die vor allem im
Ausland ihren Weg gehen und später wieder zurückkommen. Vielleicht
flüchten sie auch vor der hemmenden pessimistischen Grundstimmung
im Land.
Denn die Melancholie liegt wie ein dunkler Schleier über Portugal -
und immer wenn etwas schief geht, ist von Verschwörung die Rede. Die
Vorstellung vom país pequeno, dem kleinen Land, das von den großen
ausgetrickst wird, scheint den Menschen hier im Blut zu liegen. Sei es im
Sport, in der Politik oder der Wirtschaft, immer fühlt man sich als Opfer.
Kritische Stimmen im Land halten dagegen, dass Opfer nur der ist, der
sich selbst in die Passivrolle begibt. Der Sieger sei immer der Aktive. Leicht
gesagt, wenn die Seele schwermütig ist, entgegnen die anderen. Also ver-
harrt man in einer Art Wartehaltung. Warten und Hoffen, dafür haben
die Portugiesen ein und dasselbe Wort: esperar.
Womöglich ist Portugal das einzige Land der Welt, das in selbstversun-
kener Melancholie schwelgt und sich ausdrücklich dazu bekennt. Wenn
man es genau nimmt, lebt es gar davon. Ob in Reiseführern oder bei
Schriftstellern aus aller Welt: An der saudade kommt niemand vorbei,
wenn von Portugal die Rede ist.
Kerzenopfer im Wallfahrtsort Fátima
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