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die zunächst unbedeutende, aber auf eine religiöse Renaissance hinarbei-
tende islamistische Nationale Heilspartei (MSP - Milli Selamet Partisi ).
Bei den Wahlen von 1961 versuchten sich die beiden stärksten Parteien
- CHP und AP - unter Führung des CHP-Vorsitzenden Inönü in einer Ko-
alitionsregierung, die aber wenig fruchtbar war und bald wieder ausei-
nanderfiel. Immerhin wurde 1963 das Assoziierungsabkommen mit der
EWG unterzeichnet, das langfristig eine Zollunion mit den westeuropäi-
schen Ländern in Aussicht stellte.
Ab1965stelltedieAPunterdemMinisterpräsidenten Süleyman Demirel
die Regierung; die CHP, die nur noch knapp 30% der Stimmen erhielt,
wählte Bülent Ecevit zu ihrem neuen Vorsitzenden, der die Partei auf eine
quasi sozialdemokratische Linie einschwor. Die AP dagegen favorisierte
ganz im Stil ihrer DP-Vorgängerin die Privatwirtschaft, was einige immer
reicher, viele aber immer ärmer werden ließ und die wirtschaftlichen
Schwierigkeiten nicht beseitigte. Die Leistungsbilanz blieb negativ, die
Auslandsverschuldung wuchs ständig und die Inflationsrate fraß schnell
wiederauf,wasdietürkischenArbeitervertretungenfürdenkleinenMann
herausholten.
DieEnttäuschtenbegannensichzuradikalisieren-undzwarnachrechts
wie nach links. Dass beide Lager bald kräftig aufeinander losschlugen und
einige Städte und Landesteile in Anarchie zu versinken drohten, rief am
12.3.1971 erneut das Militär auf den Plan. Sein drohendes Memorandum
(muhtira) bewirkte den Rücktritt der Regierung Demirel und die Berufung
einer überparteilichen Koalition, die angesichts des Chaos schleunigst ei-
nige Grundrechte zurechtstutzte: Die Beschneidung der Pressefreiheit
und der schnelle Zugriff von sogenannten Staatssicherheitsgerichten soll-
ten wieder Ruhe und Ordnung schaffen.
Aber den in den nächsten zehn Jahren operierenden Regie rungen - ab-
wechselnd unter Führung von Ecevits CHP oder Demirels AP - gelang es
nicht, die oben genannten Wirtschaftsprobleme der Türkei in den Griff zu
bekommen. Im Gegenteil, die Öl- und Weltwirtschaftskrise von 1973 so-
wie die Intervention auf Zypern (1974) verschärften die finanziellen Pro-
bleme noch. Griechen und Türken waren seit historischer Zeit, insbeson-
dereaberseitdenEreignissenvon1921(siehe„KemalAtatürkunddiemo-
derne Türkei“) Erzfeinde. Ungeachtet der gemeinsamen Zugehörigkeit
zum westlichen Militärbündnis der NATO beäugten sich die beiden Ver-
bündeten mit solidem Hass, der auf politischen wie auch kulturellen Aver-
sionen beruhte. Im Mittelpunkt standen zwei Problembereiche, nämlich
ZypernsowieGebietsansprücheinderägäischenInselwelt.DieTürkeisah
und sieht sich als Schutzmacht der türkischen Minderheit auf Zypern, die
Griechen betrieben mehr oder weniger direkt den Anschluss Zyperns an
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