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Nun, so einfach ist es mit den Zahlen denn doch nicht - und an dieser
Stelle sei nochmals an Turgut erinnert, der im obigen Gespräch u. a. die
Verdörflichung Istanbuls beklagt hat. Dieses Phänomen, das auch jeder
ausländische Besucher einer türkischen Stadt bezeugen kann (vorausge-
setzt, er bewegt sich auch abseits der touristischen Zentren und scheut
nicht den Kontakt mit den Außenbezirken), lässt den Modernisierungs-
prozess als hochkompliziertes Ineinander von Stadt- und Dorfstrukturen
erscheinen.
Die dörflichen Zuwanderer beginnen ihre ungewisse städtische Karriere
meist in einem Geçekondu, einem provisorischen Wohnviertel am Rande
der Stadt. Der Ausdruck geçekondu („über Nacht erbaut“) erinnert an ei-
nen alten islamischen Grundsatz, nach dem jemandem sein über Nacht
errichtetes Dach über dem Kopf nicht mehr genommen werden kann. Die
Stadtregierungen, die mehr oder weniger diese religiöse Tradition respek-
tieren, stehen immer wieder vor dem immensen Problem, diese Geçe-
kondu-Siedlungen in die Stadt zu integrieren, also sanitäre wie energie-
versorgende Anschlüsse zu schaffen.
Kommen Neuzuwanderer in die Stadt, werden sie in aller Regel von be-
reits dort ansässigen Bekannten, die aus dem gleichen dörflichen oder re-
gionalen Umfeld wie sie selbst stammen und schon vorher zugewandert
sind, eingewiesen und integriert. Dies ist der Grund, dass sich die dörfli-
chen Klientel- und Patronatstrukturen in der Stadt erhalten und immer
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