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In den letzten zwei Jahrzehnten hat es
einen sehr starken Zuzug von Immigran-
ten aus Lateinamerika und Afrika gege-
ben. Seit Spanien Mitglied der EU ist, hat
sich der Lebensstandard deutlich verbes-
sert. Aus dem ehemaligen Auswanderer-
land Spanien ist ein attraktives Einwan-
derungsland geworden - nicht immer
zum Wohlgefallen der alteingesessenen
Bevölkerung. Auch wenn Lateinameri-
kaner sprachlich keine Probleme haben,
fallen sie doch durch ihren Akzent auf.
Arbeit finden sie meist leichter als Afrika-
ner oder Asiaten und sie sind mal mehr,
mal weniger gut in der Bevölkerung inte-
griert. Seitdem allerdings die Wirtschafts-
krise in Spanien deutliche Spuren hinter-
lassen hat (ca. 50 % der Jugendlichen
sind ohne Job, die generelle Arbeitslosig-
keit liegt bei 26 %), hat sich auch dieses
Bild geändert. Es sind schon viele Latein-
amerikaner zurückgekehrt, der Kampf
um die wenigen Arbeitsplätze ist härter
geworden. Dass die Menschen weniger
Geld zum Ausgeben haben, spüren auch
die Geschäfte und die Bars im Zentrum.
Sosehr die Madrilenen ihre Stadt lie-
ben (und ihren Fußball sowieso! Real
Madrid die einen, Atlético Madrid die an-
deren), so gerne flüchten sie auch vor
dem zumindest teilweise unübersehba-
ren Smog und dem ständigen Lärm. Im
Urlaub allemal, aber auch sonst. Urlaub
wurde schon immer im August gemacht
- vier Wochen lang, nicht früher, nicht
später. Oder vielleicht noch im Juli, aber
sonst wird von dieser Regel so gut wie
gar nicht abgewichen. Im Sommer leert
sich die Stadt also spürbar und alle Stra-
ßen Richtung Küste sind am 1. August
rappelvoll - mit Staus bis zum Horizont
und üblen Unfällen. Operación salida
(„Operation Aufbruch“) wird dieser Start
in den Urlaub genannt, vier Wochen spä-
ter kommt es dann zur „Operation Rück-
kehr“ mit den gleichen Folgen. Aber, wie
gesagt, nicht nur dann, denn sobald ein
Feiertag in Sicht kommt und sich eine
„Brücke“ bauen lässt, also noch ein paar
Tage Urlaub drangehängt werden kön-
nen, geht es los. Auch dieses Phänomen
ist in Zeiten der Wirtschaftskrise schon
seltener geworden, wenngleich es durch-
aus noch vorkommt.
Madrilenen vergessen außerdem ihr
Heimatdorf nicht. Zum Fest des Ortspa-
trons wird angereist (falls möglich) und
ist die Gemeinde der Immigranten groß
genug, wird das Fest auch mal in Mad-
rid gefeiert.
Die wenigsten Madrilenen leben oder
arbeiten im Zentrum. Arbeits- und Wohn-
ort liegen sogar häufig recht weit ausei-
nander, was zu weiten Pendlerwegen
führt. Kein Wunder, dass das Metro-
netz ständig ausgebaut wird und heute
zu den größten Europas zählt. Und den-
noch kommen viele madrileños auch
noch gerne abends ins Zentrum - na-
türlich nicht jeden Abend, aber es gehört
schon noch dazu. Denn im Zentrum be-
finden sich die Bars, Theater, Kinos und
Läden, die man gerne besucht. Einkäufe
können natürlich auch im eigenen Viertel
erledigt werden, aber eine richtige Tapa-
Tour, die macht man doch lieber im cen-
tro. Und genau deshalb ist das Zentrum
eben nicht ausschließlich von Touristen
geprägt, sondern es sind zumeist immer
noch mehr Madrilenen als Auswärtige
unterwegs. Wobei nach allgemein ak-
zeptierter Regel ja jeder ein Madrilene
ist, der sich als Madrilene fühlt - oder in
Madrid wohnt. Und sei es nur für ein Wo-
chenende, da sind die madrileños durch-
aus großzügig.
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