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In den 1970er-Jahren war Castro zum
Schwulenzentrum geworden, nachdem
sich Magazine und Fernsehsendungen
nicht nur über Homosexuelle ausgelas-
sen, sondern auch San Francisco als „Sün-
denpfuhl“ verunglimpft hatten. Denn an-
ders als die Medien erhofft hatten, war die
Stadt stolz auf ihre liberale Einstellung
und die „Publicity“ zog noch mehr Ho-
mosexuelle aus ganz USA an. Zunächst
hatten sie sich im Zuge des „Sommer of
Love“ 1967 auch in Haight-Ashbury an-
gesiedelt, doch als Harvey Milk (s. S. 97)
und sein Freund 1968 das damals ver-
nachlässigte Castro entdeckten - er kauf-
te ein Haus und eröffnete seinen Fotola-
den -, ließen sich mehr und mehr Homo-
sexuelle in Castro nieder.
1973 war Homosexualität aus der Liste
der „mental deseases“ (Geisteskrankhei-
ten) gestrichen worden und ein Jahr zu-
vor hatte San Francisco als erste ameri-
kanische Stadt ein Gesetz gegen die Dis-
kriminierung Homosexueller erlassen.
Harvey Milk spielte auch weiterhin eine
wichtige Rolle für das Selbstbewusstsein
der „homosexual culture“ und übernahm
als erster bekennender Homosexueller
ein politisches Amt. 1978 wurde er zu-
sammen mit Bürgermeister Moscone von
dem aus dem Dienst entlassenen Polizisten
Dan White ermordet.
Whites Verurteilung zu nur acht Jahren
Haft zog schwere Unruhen nach sich. Mit
einem Protestmarsch von Castro zur City
Hall noch am Abend des Mordtages 1978
brachten die Bewohner ihre Wut zum
Ausdruck, wofür sich die Polizei mit einer
nächtlichen Gewaltaktion rächte. White
beging nach seiner Entlassung nach nur
vier Jahren Haft Selbstmord, niemand in
San Francisco wollte noch etwas mit ihm
zu tun haben. Milk ist hingegen unverges-
sen und gilt als Schlüsselfigur für die ho-
mosexuelle Szene. In Erinnerung an ihn
findet alljährlich am 27. November eine
Kerzenlichtprozession von Castro zur City
Hall statt.
1971 war mit dem „Bay Area Reporter“
(www.ebar.com) die erste Publikation für
Homosexuelle ins Leben gerufen worden,
mehrere kulturelle Organisationen ent-
standen, Öffentlichkeitsarbeit, Film- und
andere Festivals fanden statt. Alles flo-
rierte bis 1981 erstmals von einem einhei-
mischen Arzt „gay cancer“ diagnostiziert
wurde und der HIV-Virus um sich griff
und mit ihm AIDS Furcht und Schrecken
verbreitete. Nach anfänglicher Betroffen-
heit rückten Solidarisierung und Politisie-
rung, Hilfs- und Aufklärungsaktionen so-
wie Spendenaufrufe in den Vordergrund,
AIDS-Programme wurden ins Leben geru-
fen, Clean & Sober Clubs entstanden und
Modellorganisationen wie die San Fran-
cisco AIDS Foundation, der 1985 initiierte
AIDS Memorial Quilt oder auch der AIDS
Memorial Grove im Golden Gate Park tru-
gen zu Aufklärung und Unterstützung
bei. Heute ist wieder Ruhe eingekehrt und
man hisst stolz die bunten Regenbogen-
flaggen als Zeichen der Zusammengehö-
rigkeit und bekennt sich beim Pride Fest
im Juni ebenso wie während der Castro
Street Fair im Oktober zu seiner sexuellen
Orientierung.
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