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bis es dunkel wurde. Je dunkler es wurde,
desto größer erschien das Feuer, in allen
Winkeln, auf Hügeln, zwischen Häusern
und Kirchen, so weit man sehen konnte,
bis hinaus zur City, leuchtete die schreck-
liche, böse, blutrote Flamme, nicht wie die
Flamme eines gewöhnlichen Feuers. Wir
blieben, bis man das Feuer als einen ein-
zigen riesigen Bogen von dieser bis zur
anderen Seite der Brücke sah, ein Bogen,
der etwa eine Meile lang war. Der Anblick
machte mich weinen. Die Kirchen, Häu-
ser, alles in Flammen, ein schreckliches
Getöse, wenn die Häuser zusammenstür-
zen. Ging nach Hause, voller Trauer, und
fand dort alle lamentierend vor. Der Lärm
des Feuers kam immer näher, sodass wir
unsere Sachen packen und unsere Habe
zum Wegschaffen fertigmachen mussten.“
Vier Tage wütete der Brand in London
und zerstörte vier Fünftel der Stadt: 400
Straßen und Plätze lagen in Schutt und
Asche, 13.200 Häuser waren nur noch
rauchende Ruinen, von 109 Kirchen stan-
den noch 25, 44 Zunfthäuser, die Guild-
hall, die Royal Exchange, drei Stadttore,
das Zollamt und Billingsgate Fish Mar-
ket - alles wurde ein Raub der Flammen.
250.000 Menschen waren obdachlos. In
aller Eile errichtete man Notlager und die
noch bestehenden Kirchen öffnete man
auf Anordnung des Lord Mayor für die
Wohnungslosen. Aus allen Teilen des Lan-
des trafen Hilfsgüter und Spenden ein.
Mit welcher Heftigkeit das Feuer in Bri-
tanniens Metropole gewütet hatte, kann
man auch gut der beeindruckenden Tage-
buchnotiz von John Evelyn über die bren-
nende Old St. Paul's Cathedral entneh-
men: „Zwei Tage und Nächte flogen die
Steine von St. Paul's wie Granaten um-
her; die geschmolzenen Dachplatten aus
Blei bildeten einen kochend heißen See
aus flüssigem Metall, der die Straße be-
deckt, und das Straßenpflaster glüht rot,
sodass kein Reiter oder Fußgänger pas-
sieren kann und keinerlei Hilfsleistungen
möglich sind.“
Das Dach von St. Paul's war bis in die
Krypta gestürzt. Zwei Monate nach dem
Brand, am 12. November 1666, besichtig-
te Samuel Pepys die Ruinen der Kathedra-
le und schrieb: „Sah heute Nachmittag die
Leiche von Robert Baybrock, Bischof von
London, gestorben 1404. Während des
Feuers stürzte er aus seinem Grab und lag
als Gerippe da, mit etwas Fleisch an den
Knochen, zäh und trocken wie schwam-
miges, trockenes Leder. Sein Kopf war zur
Seite gewandt.“
Unmittelbar nach dem Großen Feu-
er wurden Christopher Wren und John
Evelyn beauftragt, Pläne zum Wieder-
aufbau der Stadt vorzulegen. Doch ihre
visionären Stadtplanentwürfe scheiterten
an den alltäglichen Widerständen: Jeder
wollte so schnell wie möglich wieder eine
Wohnung, ein Haus beziehen, die Händ-
ler und Handwerker drängte es danach,
ihre Geschäfte wieder aufzunehmen - für
einen geregelten städtebaulichen Neuan-
fang fehlten alle Voraussetzungen. Der
Straßenverlauf der City of London ent-
spricht aus diesem Grund immer noch
dem mittelalterlichen Muster - es wurde
in die vorhandenen Lücken gebaut.
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