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nicht mehr durch, so voll ist es. Aber ganz ehrlich: Ich persönlich würde mich al-
lein und zu Fuß oder mit meinem Fahrrad auch nicht mehr hineinwagen in diese
Gassen. Immer wieder drängen sich Bilder aus düsteren Endzeitilmen auf - eine
bewährte Technik unseres Unterbewusstseins, um Distanz zwischen uns und das
Leid der anderen zu bringen.
Dieses Leid kollidiert natürlich mit der neuen Welle von Yuppies, mit den hip-
pen Restaurants und Lotbesitzern, die in die Gegend drängen. Wohnungs- und
Grundstücksmakler fordern ein härteres Vorgehen der Polizei, um die Armut, die
ihre Geschäte schmälert, zu zerstreuen oder zu verlagern.
Ich bin gespannt, wie die Stadt diesen Konlikt lösen wird. Schließlich hat sie
es sehr erfolgreich geschat, Downtown wieder lebendiger und bewohnter zu
machen, nur dass eben selbst die tollste Wohnung keinen Spaß macht, wenn man
beim Nachhausekommen über diverse Leiber steigen muss. Viel Hofnung habe
ich nicht, dass es eine einvernehmliche Lösung geben wird. Wer die Leidtra-
genden sein werden, ist klar, zumal die Sympathie der Bevölkerung gegenüber
den Obdachlosen stark bröckelt. Zu viele können dem Leid der Straße nichts
mehr entgegensetzen, lassen sich auf Crack oder noch insterere Drogen ein und
rutschen in die Kriminalität oder den Irrsinn. Downtown wird immer schicker
und schöner, die Polizei macht es den Trebern alles andere als leicht, und so zieht
es immer mehr Obdachlose an die betonierten Ränder des L. A. River, fern der
leisesten Chance auf Schutz.
Jemand jongliert schräg vor mir mit einem großen Neonpfeil und will mich so
auf einen bewachten Parkplatz lotsen. Die vielen kleinen Läden, die tagsüber den
Fashion District in ein buntes und fröhliches Durcheinander verwandeln, sind
hinter Eisenjalousien verschanzt und wirken nun trostlos. Was für ein schönes,
trauriges, passendes Wort, denke ich: Bei Nacht fehlt es der Gegend an Trost.
Ich müsste mich jetzt abreagieren, austoben, und würde gern mit dem Fahrrad
nach Hause fahren, aber ich wohne zu weit von Downtown entfernt, und so klap-
pert, während ich Richtung Westen fahre, mein rotes Fixie nur leise im Kofer-
raum vor sich hin.
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