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Ein Fuzzy-Control System z. B., das bei einer technischen Anlage sowohl Temperatur in Grad
Celsius als auch den Druck in bar berücksichtigen soll, kann als Standardregel eine AND-
Konjunktion haben: IF Temperatur „hoch“ AND Druck „hoch“ THEN Anlage herunterfahren.
Ein menschlicher Operator wird die Anlage sicher schon herunterfahren, wenn zwar die Tem-
peratur deutlich unter der kritischen Grenze liegt, der Druck jedoch bereits problematisch ge-
worden ist. Ein scharfes AND wird dies bei einem normalen Expertensystem nicht bewirken.
Eine entsprechend vorsichtige Fuzzyfizierung der Temperatur- und Druckwerte bzw. mögliche
Modifizierungen des AND-Operators können dies sehr wohl.
Wir bemerkten oben, dass schon bei „scharfen“ Expertensystemen gewöhnlich das Haupt-
problem in der Definition der Inferenzregeln liegt. Das kleine Aktienbeispiel hat dies deutlich
gemacht; insbesondere ist hier fraglich, wer denn wohl der Aktien„experte“ ist - der Risikoan-
leger oder der Vorsichtige? Bei Fuzzy-Expertensystemen tritt noch das Problem der Regelun-
schärfe hinzu oder genauer das Problem, wie die Unschärfe der Eingangsvariablen auf die
Ausgabevariablen abgebildet werden sollen. Allgemein gibt es dazu mehrere Standardverfah-
ren, die wir oben erläutert haben (vgl. auch Bothe 1998; Traeger 1994).
Die IF-THEN-Regeln wie in dem kleinen Aktienbeispiel sind nichts anderes als Relations-
bestimmungen zwischen den Variablen für die Werte der Aktien x, denen der Bestandswerte y
und den Ausgabewerten z. Die genaue Berechnung der P-Werte für die Ausgaben hängt jetzt
von den jeweiligen logischen Operatoren ab, die in den Regeln verwendet werden, was hier
nicht weiter dargestellt werden soll.
Schließlich muss noch das Problem der Defuzzyfizierungen angesprochen werden, die, wie
mehrfach bemerkt, aus unscharfen Ergebnismengen eindeutige Anweisungen oder Empfehlun-
gen herstellen sollen. Auch hier gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen.
Wenn die Anweisungen und Empfehlungen lediglich binären Charakter haben sollen wie
„Kaufen oder nicht“, „Abschalten oder nicht“, ist streng genommen kein spezielles Defuzzy-
fizierungsverfahren erforderlich, da es dann genügt, die jeweiligen Toleranzgrenzen, also die
Grenzen der zulässigen P-Intervalle festzulegen. Anders sieht das jedoch aus, wenn es detail-
liertere Anweisungen und Empfehlungen sein sollen wie z. B. „setze den Druck auf 0,3 bar“
oder „kaufe 340 Aktien A“.
Die mathematisch einfachste Methode, die hier zur Defuzzyfizierung angewandt werden kann,
ist die so genannte „mean of maximum“ Methode, bei der einfach der Mittelwert der Maxima
der Ergebnismenge gebildet wird. Ist z. B. die Ergebnismenge in dem Aktienbeispiel ein Inter-
vall zwischen 100 und 300 und liegen die P-Maxima bei 40, 100 und 250, dann wäre nach dem
Mean-of-Maximum-Verfahren die Empfehlung offensichtlich 130 - Kaufen oder Verkaufen.
Mathematisch aufwändiger ist die „Schwerpunktmethode“ (center of gravity, center of area).
Bei diesem Verfahren geht es darum, den Schwerpunkt der Ergebnismenge zu bestimmen, der
dann das eindeutige Ergebnis ist. Derartige Schwerpunktberechnungen erfolgen nach mathe-
matischen Standards und sind für integrierbare Funktionen nach den bekannten Formeln
durchzuführen. Ob man diese oder noch andere Verfahren wählt, ist weitgehend eine Frage der
praktischen Verwendungen der Expertensysteme (Traeger 1994).
Fuzzy-Methoden haben ihre praktische Wichtigkeit vor allem in den Bereichen der Experten-
und Steuerungssysteme bewiesen. Gleichzeitig zeichnet sich immer mehr ein Trend ab, die
Vorzüge neuronaler Netze - siehe Kapitel 4 - mit denen von Fuzzy-Methoden zu verbinden.
Noch relativ wenig erforscht dagegen sind die Möglichkeiten, die sich für den Einsatz von
Fuzzy-Methoden bei anderen Simulationsmodellen für komplexe Prozesse bieten. Auch ma-
thematisch ist hier noch längst nicht alles geklärt, wie die Hinweise am Ende von 5.3 andeute-
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