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1 Bottom-up Modelle, Soft Computing
und komplexe Systeme
1.1 Soft Computing, Bottom-up und Top-down
Wenn wir jetzt mit einer notwendigen Bestimmung dessen beginnen müssen, was wir unter
„Soft Computing“ verstehen, dann muss - leider nicht nur in diesem Bereich - bedauernd kon-
statiert werden, dass der Begriff Soft Computing in der Literatur nicht einheitlich gebraucht
wird und inhaltlich zum Teil unterschiedlich besetzt ist. Daher folgt zunächst eine Begriffser-
klärung. Verwendet wurde der Begriff des Soft Computing zuerst von dem Mathematiker Za-
deh (1994), dem Begründer der Theorie „unscharfer Mengen“ (fuzzy set theory) (siehe unten
5. Kapitel). 1 Zadeh verstand unter Soft Computing primär die Kombination von Fuzzy-Logik,
einer auf der Fuzzy-Mengenlehre basierenden unscharfen Logik, mit neuronalen Netzen, die
als wichtigste Repräsentanten der so genannten subsymbolischen oder auch
konnektionistischen Ansätze zur Erforschung von Künstlicher Intelligenz gelten. Die Kombi-
nationen beider formalen Techniken zusammen bilden die so genannten Neuro-Fuzzy-
Methoden (unter anderen Bothe 1998) .
Mittlerweile wird unter Soft Computing wesentlich mehr verstanden, z. B. auch Genetische
Algorithmen und andere Evolutionäre Algorithmen . Zusätzlich werden hier, wie bemerkt, auch
die Modellierungsmöglichkeiten aus dem Bereich des „Künstlichen Lebens“ (Artificial Life)
nämlich Zellularautomaten und Boolesche Netze (Gerhard und Schuster 1995; Levy 1992;
Kauffman 1993) thematisiert. Generell kann man Soft Computing heute verstehen als den Be-
reich der formalen Modellierungsmöglichkeiten, die sich möglichst unmittelbar an Prozessen
der Natur, des sozialen und ökonomischen Handelns und des menschlichen Alltagsdenkens
orientieren. Deswegen sprechen wir auch von „naturanalogen“ Verfahren. Da die Logik dieser
Prozesse gewöhnlich nicht den „harten“ Techniken folgt, die sich in der Informatik und den
klassischen Naturwissenschaften bewährt haben, sondern diesen gegenüber eher „unscharf“
und „weich“ sind, lässt sich der durchaus missdeutbare Begriff des Soft Computing als allge-
meine Bezeichnung rechtfertigen. Man kann das „soft“ auch so interpretieren, dass die Bear-
beitung der entsprechenden Probleme nicht in das harte Prokrustes-Bett der etablierten mathe-
matischen Techniken eingezwängt wird, sondern in einen mehr elastischen und damit „wei-
chen“ Rahmen, sozusagen in ein den Problemen gemäßes Bett.
Dazu kommt noch, dass Soft-Computing-Modelle praktisch nie als fertige Algorithmen, die
sofort einsetzbar sind, präsentiert werden können, sondern als allgemeine „Schemata“ von
Algorithmen, also gewissermaßen Rahmen, die jeder Benutzer durch Angabe der jeweiligen
gewünschten Parameter selbst konkretisieren muss. Dies wird bei allen der hier vorgestellten
Techniken deutlich. Vielleicht ist dies ein weiterer Grund, warum man hier den extrem miss-
deutbaren Begriff des „soft“ verwendet: Diese Modelle sind immer nur im Zusammenhang mit
einem bestimmten Problem oder Problemgebiet konkret verwendbar - eine für viele Informati-
ker sicher etwas irritierende Situation. Aber gerade diese Allgemeinheit macht Soft-
Computing-Modelle, wie noch zu sehen sein wird, praktisch universal einsetzbar.
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