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In gewisser Hinsicht ist dieser Begriff selbst ein Beispiel für einen unscharfen Begriff, wie er
für das menschliche Denken charakteristisch ist. Die Kognitionspsychologie und die linguisti-
sche Semantik haben schon seit längerer Zeit festgestellt, dass Menschen nicht in logisch präzi-
sen Begriffen denken, die sauber voneinander getrennt werden können, sondern mit „ausge-
fransten“ Begriffen arbeiten, die häufig keine klaren Abgrenzungen erlauben (Jones und Idol
1990). Es ist nicht zufällig, dass in diesen Wissenschaften schon relativ früh der Einsatz der
Fuzzy-Logik erprobt wurde (vgl. z. B. Lakoff 1987 für den Bereich der kognitiven Semantik).
Wir werden in dieser Arbeit, wie bereits bemerkt, den erweiterten Begriff des Soft Computing
verwenden, also die Gesamtheit der damit verbundenen Techniken darstellen.
Wenn man nun diesen erweiterte Begriff von Soft Computing einführt, so ist darauf hin-
zuweisen, dass die erwähnten Techniken mittlerweile auch unter Begriffen wie Computational
Intelligence oder auch Organic Computing abgehandelt werden. In diesen Bereichen geht es
ebenfalls darum, mathematische Modelle, die sich an natürlichen Prozessen orientieren, für die
Informatik fruchtbar zu machen. Unter Computational Intelligence werden allerdings primär
Techniken verstanden, die mit dem Begriff des Soft Computing vergleichbar sind, wie Neuro-
nale Netze , Genetisches Programmieren , Swarm Intelligence und Fuzzy-Systeme (unter ande-
ren Engelbrecht 2002). Im Zusammenhang mit Organic Computing werden selbstorganisie-
rende Systeme untersucht, daher werden primär Neuronale Netze , Evolutionäre Algorithmen
sowie Zellularautomaten behandelt (Müller-Schloer et al. 2004). Wir wollen Ihnen auch nicht
die zusätzlichen Begriffe von „Ubiquitous Computing“ sowie „Autonomic Computing“ vor-
enthalten, die in diesem Kontext ebenfalls zuweilen verwendet werden, ohne diese näher zu
charakterisieren. Von allen diesen zum Teil relativ neuen Begriffen ist jedoch der des Soft
Computing fraglos sowohl der mittlerweile traditionsreichste als auch der am weitesten ver-
breitete. Wir werden deshalb nur noch diesen Begriff verwenden, um die hier thematisierten
Techniken zusammenfassend zu charakterisieren. Es ist nebenbei bemerkt auch nicht so recht
zu verstehen, was die Einführung immer neuer Begriffe für Forschung und Anwendung eigent-
lich bringen soll und kann, von dem Problem einer zuweilen schon babylonischen Begriffs-
verwirrung gar nicht zu reden.
Freilich darf hier kein Missverständnis in Bezug auf den Begriff „soft“ entstehen. Bei den for-
malen Methoden, die Gegenstand dieser Arbeit sind, handelt es sich um Erweiterungen klassi-
scher Verfahren der Mathematik und Informatik, nicht etwa um etwas gänzlich anderes. Eine
„unscharfe“ Mengenlehre ist mathematisch genauso exakt wie die klassische „scharfe“ Men-
genlehre und lernende bzw. adaptive Systeme wie neuronale Netze und genetische Algorith-
men operieren mit ebenso eindeutigen (häufig sogar deterministischen) Algorithmen wie es
z. B. bei Suchalgorithmen für Datenbanken der Fall ist. Von daher muss immer wieder betont
werden, dass es sich hier um einen Wissenschaftsbereich handelt, der eindeutig zu den Wissen-
schaften gehört, die vor allem mit mathematischen Methoden arbeiten - deswegen „compu-
ting“. 2 Nebenbei bemerkt, die Tatsache, dass es mit diesen Techniken möglich ist, mathema-
tisch Probleme aus den Sozial- und Kognitionswissenschaften zu behandeln, also Bereiche, die
häufig als „weiche“ Wissenschaften bezeichnet werden, gibt der Bezeichnung „Soft Compu-
ting“ einen gewissen inhaltlichen Sinn.
2 Aufgrund unserer Lehrerfahrungen ist uns bewusst, dass diese neuen Möglichkeiten des Soft
Computing häufig bei Studierenden ein gewisses Umdenken verlangen, da die Logik dieser „soft“
Algorithmen nicht unbedingt dem entspricht, was man normalerweise von Computerprogrammen
erwartet. Ihr Kern ist jedoch letztlich Mathematik und nichts sonst.
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