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Lauschen
Ih bin mit Leuten durh diese Stadt gezogen, die näherten sih ihr über ihre Gerühe.
Andere reißen die Augen weit auf. Mir liegt diese Stadt in den Ohren, mir gefällt es,
Istanbul nahzulaushen. »Ih höre Istanbul«. Das bekannteste Gediht über die Stadt
heißt so, der Dihter Orhan Veli Kanık ( 1914 - 1950 ) shrieb es, mehrfah wurde es ver-
tont.
Ih höre Istanbul, meine Augen geshlossen / Zuerst wehte ein leihter Wind /
Leiht bewegen sih / Die Bläter in den Bäumen / In der Ferne, weit in der
Ferne / Pausenlos die Gloke der Wasserverkäufer / Ih höre Istanbul, meine Au-
gen geshlossen.
Das Gediht habe ih zum ersten Mal gehört von Ara Güler, dem großen alten
Istanbuler Armenier, dem Magnumfotografen und Chronisten der Stadt, der nun die
ahtzig übershriten hat, aber noh immer Nahmitag für Nahmitag in dem nah
ihm benannten Café unweit der Fußgängerzone sitzt, vornübergebeugt über alte Neg-
ative und neue Drukfahnen, sih den weißen Bart kratzt, Hof hält, den Mädhen
nahshaut und über all die »Zuhälter« und »Gurken aus Anatolien« shimpt, die
aus seiner Stadt, so sieht er es, ein »geiktes Istanbul« gemaht haben. Ara Güler
kannte Orhan Veli, den geliebten Dihter, der gerade mal sehsunddreißig war, als er
in eine Baugrube stürzte und starb, Ara Güler war dabei, als sie ihn zu Grabe tru-
gen, danah ging er zur Burg Rumeli Hisarı, setzte sih auf die Mauern, blikte auf
den Bosporus und stimmte Velis Lied an, das von Südwinden erzählt, vom Gehämmer
auf den Doks, vom Raush vergangener Feste. Wer Ara Güler fragt, was geblieben ist
von der Stadt, der er ein Denkmal gesetzt hat, der ist gerade an den Rehten geraten:
»Ha. Rieh mal.« Er deutet auf einen Kanaldekel, verzieht die Nase: »Wir wandeln
auf einer Leihe.«
Das ist das Klagelied der alten Istanbuler, die um ihre Heimat trauern, in der sie
eine Gefallene sehen, den Händen des Pöbels ausgeliefert, und das Lied gehört zur
Stadt wie die Shreie der Möwen und der Ruf des Muezzin. Ih höre das heisere
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