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Krähzen der Möwen jetzt in diesem Moment, da ih hier an meinem Shreibtish
sitze und die ersten Sonnenstrahlen allmählih an unser Haus herankriehen. Ih
höre das nie endende Streihen des Windes durh die Kastanien, Eihen und Pinien
vor unserem Haus, und wenn der Wind dreht, dann trägt er aus der Ferne das leise
Rollen der Morgenkarawane über den Asphalt der Bosporusbrüke in mein Büro.
An manhen Tagen gesellen sih von unten im Dorf die Motoren der Bagger hin-
zu, die ein Dauerabonnement bei der Gemeinde haben fürs Aufreißen und Aufüllen
der Straße. Die Yeniköyer sagen, das sei so gewesen seit Anbeginn der Zeit und das
werde so sein bis zum Ende der Zeit, und das Einzige, was zwishendurh wehsle,
seien die Farbe der Bagger und die Namen auf den Shildern, immer dann, wenn die
Wahlen wieder einmal eine neue Partei an die Maht gebraht haben.
Der erste Posaunenstoß des Tages ist längst verklungen: die Sirene des Vapur ,
der Bosporusfähre, die die Frühpendler in die Stadt bringt. Die kleinen Boote, die
alle zwanzig Minuten übersetzen auf die andere Seite des Bosporus, sie haben einen
kurzen Atem, stoßen Warnrufe aus, dünn und sheu wie auh die Stimme der Fis-
herboote. Die Sirene des Vapur dagegen ist so mähtig und beruhigend wie die mit
stoisher Regelmäßigkeit in die Lut gestoßene Fontäne eines durh die Wasser plü-
genden Wals. Aber auh das mähtige Vapur indet seinen Herrn, wenn es sih an-
shikt, dem allmähtigen Tanker vor den Bug zu kreuzen, und jener mit lautem und
tiefem Bass seine Vorfahrt einfordert, einem Bass, der lange Nahhall indet zwis-
hen Hügeln, die den Bosporus einrahmen. Wer sih nah dem Ausklang des Win-
ters wundert, weil er glaubt, ein Räuspern in den Stimmen der Shife zu hören, die
da unten kreuzen, der ist damit niht allein: »Die Shifsirenen haben ihre Sommer-
stimme noh niht wiedergefunden«, lüstert im Roman »Seelenfrieden« ein junger
Mann seiner Geliebten zu.
Irgendwann, nah dem Frühstük meist, ershallt die Klingel eines Trödlers, der
mit seiner Karre durh unsere Straße zieht. Jeder der Istanbuler Straßenhändler hat
seinen eigenen Ruf. Der Gerümpelsammler kündigt sih mit einem lang gezogen-
en »Trööödel« an, der Maisverkäufer preist seine gekohten Kolben lautstark als
»Saaatig!«, der Obsthändler, der mit einem klapprigen, breitshnauzigen Lastwa-
gen Marke Dodge oder Fargo, stets knallrot lakiert, in die Viertel kommt und von
der Ladelähe herunter verkaut, gibt mit heiserer Stimme die Frühte der Sais-
on bekannt. Ab und zu ziehen auh Alteisensammler, Kammerjäger und Overlokcu
ihre Runden, das sind Näher, die sih aufs Fliken ausgefranster und aufgedröselter
Teppihränder spezialisiert und sih nah der dabei verwendeten »Overlok«-Näh-
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